Wie groß ist Russlands Einfluss auf dem Balkan? Und was heißt das für die von den Westbalkanländern angestrebte Integration in EU und NATO? Diese Fragen sind wieder brisant geworden, nachdem kürzlich die griechische Regierung beschlossen hat, zwei russische Diplomaten auszuweisen und weiteren zwei die Einreise nach Griechenland zu untersagen.
Als Grund für seine Maßnahmen nannte Athen, die Diplomaten hätten zahlreiche koordinierte Versuche unternommen, Russlands Einfluss in Griechenland auszuweiten und sich bei der Lösung des Namensstreits mit dem benachbarten Mazedonien einzumischen. Die Einigung zwischen Athen und Skopje auf den neuen Staatsnamen ist eine der Hürden vor dem Beitritt des Landes zur NATO und EU.
Russland kommentierte die diplomatische Krise als „grobe Provokation“, die wohl kaum nur der griechischen Regierung zuzuschreiben sei. „Selbstverständlich gibt es Einfluss von außen“, kommentierte der ständige Vertreter Russlands bei der EU Wladimir Tschischow.
Politische Beobachter sehen im Skandal auch amerikanische Interessen. Sie sind in erster Linie mit der NATO-Erweiterung auf dem Balkan verbunden, was in Russland wiederum nicht unbedingt begrüßt wird. Dimiter Betschew vom Atlantischen Rat in Washington kennt sich auf dem Balkan und in Russland aus und bezeichnete diese russische Haltung als konjunkturbedingt.
„Davon sind weder strategische Interessen Russlands direkt betroffen, noch ist die Sicherheit des Landes bedroht“, meint Betschew und argumentiert: „Die Balkanländer sind keine unmittelbare Nachbarn Russlands. Der Balkan ist aber Austragungsort einer Konfrontation mit dem Westen seit einigen Jahren, seit der Annexion der Krim. Russland nutzt jede Gelegenheit, die EU- und NATO-Politik wo immer es kann zu stören und zu erschweren. Leider ist es so, dass der Balkan einen Nährboden für diese Taktik bietet“, stellt Dimiter Betschew fest. Und ergänzt, dass der Kampf um die Balkanländer nicht geopolitisch sei, sondern auf die russische Innenpolitik zurückgeführt werden könne.
„Diese Auseinandersetzung hat auch mit den Problemen zu tun, die wir in Bulgarien nur zu gut kennen – inwieweit hat sich das demokratische Selbstverständnis durchgesetzt, inwieweit haben wir einen Rechtstaat, inwieweit sind die Medien unabhängig und inwieweit kann sich die Zivilgesellschaft gegen die politischen Eliten durchsetzen“, sagt Dimiter Betschew vom Atlantischen Rat in Washington.
Anders fällt die Bewertung des langjährigen Diplomaten Walentin Radomirski aus, der die Prozesse auf dem Balkan und in Russland verfolgt:
„Historische Interessen Russlands auf dem Balkan gab es schon immer und wird es immer geben. Doch derzeit ist Russland nicht in der Lage, sie so intensiv zu verfolgen, wie manche politische Beobachter behaupten, die von einer großen Gefahr sprechen, die von Russland ausgehe“, betont Radomirski. Ihm zufolge liegen Interessen eines derzeit geschwächten Russlands viel mehr im sogenannten „postsowjetischen Raum“ in Asien.
„Russland ist zwar eine geopolitische Weltmacht, einer der drei Pfeiler in einer sich neuordnenden multipolaren Welt. Doch Russland ist wirtschaftlich und insbesondere finanziell angeschlagen. Und genau aus diesem Grund ist es introvertiert“, betont Walentin Radomirski im Interview für den Bulgarischen Nationalen Rundfunk.
Fotos: Archiv
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