Die Megalithen – geheimnisumwobene steinerne Zeugnisse längst vergangener Zeiten, gibt es auf der ganzen Welt. Wissenschaftlich werden sie in Dolmen und Menhire eingeteilt. Die Dolmen stellen kleine häuschenartige Bauwerke dar – Wände und Decke bestehen aus großen Steinplatten, die aber nicht mit Mauerwerk untereinander verbunden sind. Die Menhire sind aufgerichtete längliche Steine, die einzeln, verstreut in Gruppen, oder in bestimmten Formen – beispielsweise als Steinkreise, stehen können. Solche Anlagen kann man auch an den Küsten des Schwarzen Meeres entdecken. Laut dem Erforscher der Megalith-Kultur Dozent Ljubomir Zonew, bilden sie einen „Schwarzmeer-Megalith-Halbmond“. Er beginnt in den Ostrhodopen und dem Sakar-Gebirge und führt über dem Ostteil des Balkangebirges, die Region des heutigen Schumen und dem Kap Kaliakra bis zur Krim-Halbinsel, dem Kaukasus und dem Gebirge Armeniens.
Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die Megalith-Strukturen eine sakrale Bedeutung hatten. Wann wurden sie jedoch geschaffen? Besteht ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Strukturen an den Küsten des Schwarzen Meeres? Mit diesen Fragen wandten wir uns an Dozent Zonew:
„Wenn man über Megalithen spricht, sind die Fragen stets mehr als die Antworten. Dabei kann man nur wenige Fragen eindeutig beantworten und entsprechende Beweisen vorlegen. Das Paradoxe an solchen Anlagen ist, dass es immer irgendeine Ähnlichkeit zwischen ihnen gibt, die Strukturen jedoch keine der anderen gleicht“, meint der Wissenschaftler und setzt fort: „Auf der Balkanhalbinsel gibt es rund 400 Dolmen und genauso viele Menhire. Im Kaukasus sind sie etwa 2.000 an der Zahl, dafür gibt es dort keinerlei Menhire. Im Armenischen Gebirge steht ein ausgesprochen schönes Objekt mit einigen Hundert Menhiren und einem kleinen Dolmen in der Mitte. Die dortigen Wissenschaftler behaupten, dass die Anlage aus dem 5. bis 4. Jahrtausend vor Christus stammt. Jünger als diese sind die Anlagen im Kaukasus – 3. bis 2. Jahrtausend vor Christus (genauer: 24. bis 15. Jahrhundert vor Christus). Nach 4 bis 5 Jahrhunderten, in denen man dort keine solchen Anlagen errichtet hat, tauchen solche auf der Balkanhalbinsel auf, die in das 12. bis 6. Jahrhundert vor Christus datiert werden. Ich würde gern wissen, ob diese großen Zeitunterschiede real sind, oder auf eine ungenaue Datierung zurückzuführt werden können. Mir persönlich erscheint es unmöglich, dass solch verhältnismäßig nahe Anlagen nichts untereinander zu tun haben und sie derart große Zeitabschnitte trennen“, meint Dozent Ljubomir Zonew.
Das grundlegende Problem mit den Megalithen besteht vor allem hinsichtlich ihrer Datierung. Falls man dieses lösen könnte, würden mit der Zeit viele ihrer Rätsel gelöst werden können. Die einzelnen Objekte wurden in den jeweiligen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten und mit unterschiedlichen Methoden erforscht. Laut Dozent Zonew seien die Dolmen im Kaukasus am zuverlässigsten datiert worden und zwar mit der C14-Methode und der Optisch Stimulierten Lumineszenz (OSL). In Bulgarien wurde eine zeitliche Einordnung auf der Grundlage der entdeckten Keramik vorgenommen, die jedoch auch aus einer späteren Zeit stammen könnte.
Wo stehen in Bulgarien die besterhaltenen Megalithen?
„Dolmen befinden sich im bulgarischen Teil des Strandscha-Gebirges, dem Sakar-Gebirge und den Ost-Rhodopen. Die größten und verhältnismäßig am besten erhaltenen Objekte stehen im Strandscha in der Nähe zur türkischen Grenze. Sie sind deshalb so gut erhalten, weil sie sich in der Grenzzone befinden, zu der früher nur wenige Menschen Zutritt hatten. Für Touristen bequem erreichbar sind die Dolmen im Sakar-Gebirge; sie befinden sich entlang der Verbindungsstraße zwischen Haramnli und Topolowgrad.“
Was die Steinkreise, die sogenannten „Kromlechs“ betrifft, wurden bislang in Bulgarien fünf solche Anlagen entdeckt. Die eine befindet sich beim Dorf Dolni Glawanak in den Ostrhodopen. Rund 20 Steinblöcke, die zwischen 1 Meter und 1,5 Meter aus dem Boden herausragen, sind in einem Kreis angeordnet. Ein weiterer Steinkreis befand sich beim Dorf Staro Schelesare in der Nähe von Starosel. Dort bildeten 24 Menhire einen Kreis. Diese Anlage wurde jedoch leider zerstört. Eine dritte Anlage steht auf dem Kap Emine. Menhire, die in einer Reihe oder scheinbar wahllos aufgestellt sind, können bei Pliska in Nordostbulgarien bewundert werden. Die Ortsansässigen nennen sie „Geistersteine“. Einige Wissenschaftler schreiben sie den Urbulgaren zu. Dozent Ljubomir Zonew steht dieser These skeptisch gegenüber:
„In meinen Augen ist die Annahme absurd, dass Menschen, die ein eigenes Staatswesen hatten und ihre Hauptstadt mit einer Wehrmauer, bestehend aus gut zugearbeiteten Steinblöcken umgaben, große unbearbeitete Steine aufgerichtet haben. Das erscheint mir zu primitiv. Außerdem werden in den alten Chroniken diese Steine mit keinem Wort erwähnt. Das ist jedoch noch nicht alles! Als unsere Vorfahren ihr Reich bis an die Ägäis-Küste ausdehnten, haben sie dort nichts dergleichen errichtet – es befindet sich einzig in der Nähe von Pliska. Daher nehme ich an, dass es sich um ein Denkmal aus einer früheren Epoche handelt.“
Dieser Streit kann einzig mit einer Untersuchung mittels der Optisch Stimulierten Lumineszenz entschieden werden. Mit dieser Methode wurde übrigens das Alter der berühmten Zeichnungen auf der Nazca-Hochebene in Peru datiert werden, die viele Touristen aus aller Welt anziehen. „Wir könnten die Dienste unseres südlichen Nachbarlandes Griechenland in Anspruch nehmen, wo unsere dortigen Kollegen seit langem mit dieser Methode arbeiten“, meinte abschließend Dozent Ljubomir Zonew.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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