“Bausteine, Holz – das ist die Konstruktion, doch wenn sie meine Seele und mein Herz ergreifen – dann ist das Architektur.” Das, liebe Architekturfreunde, hat kein anderer als einer der bedeutendsten Architekten der Neuzeit gesagt, nämlich Le Corbusier. Die wenigsten werden aber wissen, dass sich der bedeutende französische Architekt 1911 in Bulgarien aufgehalten hat und fasziniert war von unserer traditionellen Architektur. Die Berührung mit der bulgarischen Baukunst hat ihn zu der zitierten Aussage bewogen.
Und tatsächlich übt unsere alte Architektur auf alle Besucher, gleichgültig, ob Einheimische, oder Ausländer einen ausgesprochenen Reiz aus und fast jeder ist bereit, gleich in eines der restaurierten Gebäude aus der bulgarischen Wiedergeburtszeit im 18. und 19. Jahrhundert einzuziehen. Insbesondere gilt das für die Gebäudegruppe des einstigen Familienhauses der Aguschew im Dorf Mogilitza, im äußersten Süden Bulgariens. Es ist einer der wenigen in ihrem ursprünglichen Aussehen bewahrten Wohnsitze einer reichen Familie in unserem Land.
„Beim Aguschew-Konak handelt sich um ein ganzes Ensemble mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, das entsprechend den umfangreichen finanziellen Möglichkeiten des damaligen Feudalherrn errichtet worden ist“, erzählt die Reiseführerin Eli Andreewa. „Die ganze Anlage ist immerhin etwa 3.266 Quadratmeter, also gemessen an unseren heutigen Vorstellungen stellt sie ein kleines Straßenviertel dar. Der Gebäudekomplex besitzt 221 Fenster, 86 Türen und 24 einzelne Schornsteine, denn jedes der bewohnten Zimmer besaß einen Ofen oder Kamin. Man kann sich leicht vorstellen, wie das Verhältnis dieser Anlage zu dem damaligen Dorf war und welchen Eindruck es auf die Besucher machte. Heute beeindruckt sie die Touristen nicht minder mit ihrer Größe. Aus diesem Grund wurde das Ensemble bereits früher als “Konak” bezeichnet. Dieses türkische Wort hat einige Bedeutungen und kann mit „Unterkunft“, aber auch mit „Amtssitz“ übersetzt werden. Der Aguschew-Konak in dem Dorf Mogilitza war vor allem als Wintersitz der Familie gedacht. Der Sommersitz ist hoch oben in den Bergen in der Nähe der Schafsweiden.“
Die Familie des Agusch Aga und seiner drei Söhne war sehr vermögend, aber auch gebildet, weil sie Handel mit verschiedenen Ländern trieb und entsprechend Fremdsprachen beherrscht wurden. Sie beschäftigte sich hauptsächlich mit Schafzucht. Rund 12.000 Schafe weideten im Sommer auf den Rhodopen-Wiesen, während sie den Winter in südlicheren Gefilden – in den Gebieten entlang der Ägäis, verbrachten, was in diesem Teil des heutigen Bulgarien so gehandhabt wurde.
„Das Hauptgebäude wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts entsprechend den aus dem Mittelalter stammenden Bautraditionen errichtet. Die erste Bauinschrift stammt aus dem Jahr 1825. Im Laufe der Zeit wurde aber die Anlage erweitert und entsprechend den Bedürfnissen der Familie verändert. Die letzten Bauarbeiten erfolgten laut einer zweiten Bauinschrift 1843, schleppten sich jedoch noch ein Jahrzehnt fort“, erzählt weiter die Reiseführerin.
„Das ganze Bauwerk wirkt von außen gedrungen und wehrhaft, trotz der anheimelnden Erker und anderen Architekturdetails und Malereien. Die einzelnen Gebäudeteile gruppieren sich um drei Höfe. Jeder der Höfe und der sie umgebenden Gebäude können als selbständige Wohn- und Wirtschaftskomplexe betrachtet werden. Zu jedem Hof gehören ein Wohngebäude für den Hausherrn, Zimmer für das Personal und für die Saison-Arbeiter, Stall, Scheune und andere Wirtschaftsräume, wie auch ein Brunnen.
Trotz der großen Zahl der Zimmer, entspricht die Anlage dem traditionellen südbulgarischen Haus mit allen Besonderheiten des Rhodopenhauses. Und dennoch stößt man hier auf eine Besonderheit. Im äußersten Südosten befindet sich ein, sagen wir mal Wohnturm. Im unteren Teil ist er rund und weist eine Treppe auf, die in das obere Stockwerk führt, das aus einem etwa 3 mal 3 m großem Zimmer besteht. Das ist eine Erinnerung an einstige Wehrtürme des Mittelalters – Mitte des 19. Jahrhunderts aber eher ein architektonisches Element zur Auflockerung der Gebäudemassen. Baulich erinnert das ganze an ein mittelalterliches Befestigungswerk, dass in späterer Zeit mit Fachwerk überbaut worden ist. Dieser Eindruck entsteht vor allem dadurch, dass beim traditionellen Rhodopenhaus das Untergeschoss aus Bruchstein gemauert wurde und das Wohngeschoss darüber ein weiß verputzter Fachwerkbau war.“
Nach der Wende in Bulgarien wurde auch der Aguschew-Konak seinen Alteigentümern bzw. Erben zurückerstattet, was im Jahre 2000 geschah. 1949 war die Anlage verstaatlicht worden und sie zerfiel zusehends, so dass in den 60-ger Jahren, als man ihren historischen und Architekturwert erkannte, umfangreich restauriert werden musste. Einige Teile des Bauwerks waren sogar dem Einsturz nahe und mussten originalgetreu neu errichtet werden.
Obwohl sie nun privat ist, besteht die Anlage weiterhin als ethnographisches Museum, zumal es in die Liste der Denkmäler mit nationaler Bedeutung eingetragen ist.
Die Aguschew Familie besteht heute aus zwei Zweigen. Dabei ist sehr interessant, dass der eine Zweig mohammedanisch ist und der andere christlich. Das rührt daher, dass mit der zwangsweisen Islamisierung der Rhodopen noch während der osmanischen Fremdherrschaft, ein Teil der Familie zum Islam übergegangen war, um seine Besitzungen zu behalten und vor türkischen Überfällen zu schützen. Beide Familienzweige verstehen sich aber glänzend, trotz der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit.
Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow
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