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Über den 3. März als Nationalfeiertag und Neuanfang

Das Freiheitsdenkmal auf dem Schipka-Pass im Balkangebirge liegt genau an dem Ort, an dem Russen und Türken einst 1878 aufeinander losgingen. Es wurde am 26. August 1934 eingeweiht und durch freiwillige Spenden des bulgarischen Volkes finanziert.
Foto: Archiv

Auf Parlamentsbeschluss vom 5. März 1990 wurde der 3. März zum Nationalfeiertag Bulgariens ausgerufen. An diesem Tag des Jahres 1878 wurde in San Stefano (heutiger Istanbuler Ortsteil Yeşilköy) der Vorfriedensvertrag zwischen Russland und dem Osmanischen Reich unterzeichnet, der dem Russisch-türkischen Krieg von 1877/78 ein Ende setzte und den Beginn der bulgarischen Staatlichkeit nach annähernd 5 Jahrhunderte währender osmanischer Fremdherrschaft einläutete.

Obwohl der 3. März seit nunmehr 30 Jahren in Bulgarien als Nationalfeiertag begangen wird, halten die Kontroversen weiter an, ob dieses historische Datum würdig ist, Symbol und Fest der Nation zu sein.

Der Russisch-türkische Krieg von 1977/78 und seine Folgen stehen unweigerlich in direktem Zusammenhang mit den Interessen der Großmächte jener Zeit, zumal vier Monate nach der Unterzeichnung des Präliminarfriedens noch im gleichen Jahr auf dem Berliner Kongress alle Klauseln neu verhandelt und das ursprünglich einige Bulgarien zerstückelt wurde. Diese Tatsache veranlasst heute viele Bürger zu der Ansicht, dass als Nationalfeiertag entweder der Tag der Vereinigung oder der Tag der Unabhängigkeitserklärung bestimmt werden müsse. Als Argument wird angeführt, dass beide Ereignisse ausschließlich auf bulgarische Bemühungen fußen, ohne äußere Einmischung. Man darf jedoch nicht die Tatsache außer Acht lassen, dass es ohne die Befreiung keine Vereinigung und keine Unabhängigkeit gegeben hätte.

Erste Ehrungen der Befreiung des Landes

Der Tag der Befreiung Bulgariens wurde zum ersten Mal am 19. Februar 1879 (ab 1917 am 3. März nach Übergang zum Gregorianischen Kalender 1916) in der altehrwürdigen bulgarischen Reichshauptstadt Tarnowo begangen. Ab 1888 bis Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Datum als „Tag der Befreiung Bulgariens von osmanischer Herrschaft“ gefeiert. In den Jahren danach wurde der Feiertag in den Hintergrund gedrängt, da die an die Macht gekommenen Kommunisten andere Prioritäten setzten. Erst 1978 wurde der Tag anlässlich des 100. Jahrestages des Ereignisses vermerkt, jedoch bald wieder vergessen. Nach der Wende in Bulgarien 1989 entsann man sich erneut seiner Bedeutung und erklärte ihn 1991 zum Nationalfeiertag.

Welche Bedeutung hat der 3. März für die Bulgaren von heute?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich der Stimmungen des 19. Jahrhunderts besinnen. Es war für die Balkanregion eine Periode des Umbruchs – Aufstände und Freiheitskämpfe prägten den Alltag. Das Echo der nationalen Strömungen und Ideologien, die in Europa an Kraft gewonnen hatten, fanden im Osmanischen Riech ihren Widerhall. Ähnlich den anderen Balkanländern steuerte auch Bulgarien den Weg der Freiheit an. Die nationale Befreiungsbewegung erlebte ihr „Golgatha“ im Jahre 1876. Der vorzeitig ausgebrochene April-Aufstand wurde in Blut erstickt. Die Opfer waren jedoch nicht umsonst; der Aufstand hatte alle Bulgaren wachgerüttelt.

Nach diesem Revolutionsversuch, wurde die Aufmerksamkeit Europas auf den Balkan gelenkt. Aufgeworfen wurde die sogenannte „Bulgarische Frage“. Russland, das nach dem verlorenen Krim-Krieg von 1853-1856 nach Revanche lechzte, beschloss, das geschwächte Osmanische Reich anzugreifen. Und so begann am 24. April 1877 der 12. russisch-türkische Krieg.

Russland musste gleich zu Beginn des Krieges Misserfolge hinnehmen. Der Gegner war zahlenmäßig stärker, besser bewaffnet und auch besser vorbereitet auf einen Krieg. Im Krieg selbst gab es viele kritische Momente – genannt seien die Kämpfe um Stara Sagora, den Schipka-Pass und bei Plewen, wie auch die Überquerung des Balkangebirges unter sehr harten Winterbedingungen. Als entscheidender Faktor in diesem Krieg erwies sich die gerechte Sache.Von Bedeutung war auch die aktive Beteiligung der Bulgaren. Die russischen Truppen schafften es, bis nach Adrianopel (heute Edirne) vorzudringen und gaben deutlich zu verstehen, dass sie gegen die osmanische Hauptstadt Konstantinopel ziehen würden.

Der Krieg endete mit dem Sieg Russlands. Der am 3. März 1878 im Konstantinopler Vorort San Stefano abgeschlossene Vorfrieden eröffnete die Möglichkeit zur Wiederherstellung des bulgarischen Staates. Bulgarien erlebte jedoch nur für kurze Zeit das Gefühl eines national einigen Staates. Im Sommer des gleichen Jahres wurde der sogenannte Berliner Kongress einberufen, auf dem der Vertrag von San Stefano revidiert wurde. Die Absprachen der Großmächte berücksichtigten in keiner Weise die Belange des bulgarischen Volkes und öffneten eine neue Seite – die der Kämpfe um nationale Vereinigung. Der 3. März sollte also nicht auf das Ende des Russisch-türkischen Krieges beschränkt werden, in dem die Bulgaren eine untergeordnete Rolle spielten. Der 3. März ist ein Datum, das die Wiedergeburt der bulgarischen Freiheit kennzeichnet. Bulgarien beschritt den Weg einer europäischen Entwicklung. Auch er erwies sich dornenreich und voller Prüfungen; für Bulgarien war jedoch ein neues Zeitalter angebrochen, die Epoche der fast 5 Jahrhunderte währenden Knechtschaft war vorüber.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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