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Über die Freuden und Nöte eines bulgarischen Dorfes

Der Bürgermeister von Blagowo Latchesar Assenow: Das Beste, was uns passiert, sind die vielen jungen Leute und die neuen Häuser

Foto: BNR-Widin

In Blagowo, einem sechs Kilometer von der Bezirksstadt Montana im Nordwesten Bulgariens gelegenen Dorf, hat jeder seine Sorgen. Die Einen beschweren sich, dass es keinen Fußweg und keine beleuchtete Straße gibt, die Anderen, dass sie in die Stadt fahren müssen, wenn sie zum Arzt, zur Arbeit oder zur Schule gehen wollen und Dritte wiederum machen sich Sorgen um ihre seelische Gesundheit.

Eigentlich sind die Probleme der Bewohner von Blagowo zu Beginn des Neuen Jahres die gleichen, die sie auch schon im letzten Jahr hatten. Ähnlich ergeht es auch den Bewohnern anderer bulgarischer Dörfer, ganz gleich in welchem Teil des Landes.

„Im Großen und Ganzen leben wir armselig. Egal wie viel man arbeitet, verdienen kann man nichts. Die da oben machen sich lustig über uns mit den kleinen Renten und überhaupt… Wer nichts selbst herstellt oder anbaut, der hat nichts. Irgendwie müssen wir zurechtkommen, was bleibt uns anderes übrig? Es wird sich nichts ändern, solange die da oben sich nicht ändern! Der Fisch stinkt vom Kopf her.“

Obwohl sie in Armut leben, oft auf Pump einkaufen und alles Wichtige erst in der Stadt finden, gehören die Menschen in Blagowo zu den wenigen, die wissen, dass ihr Dorf nicht mit dem Ableben des letzten alten Dorfbewohners verblassen wird. Die saubere Luft, der Wohnkomfort in einem Haus mit Garten und die Nähe zur Bezirksstadt inspirieren viele junge Menschen, sich dort niederzulassen.

Die ersten Siedler von Blagowo kamen nach der Niederschlagung des Tschiprowzi-Aufstandes für die Befreiung des Landes von der osmanischen Fremdherrschaft1688. Zurzeit hat das Dorf etwa 500 Einwohner.

„Unsere Nähe zu Montana macht das Dorf beliebt und so wurden inzwischen 30 % der Häuser hier von Einwohnern anderer Ortschaften aufgekauft“, erzählt Latschesar Assenow, seit 16 Jahren Bürgermeister von Blagowo. Er beklagt, dass es keine direkte Busverbindung zur Stadt gibt und dass der Zugbahnhof nur eine Haltestelle ist. Im Dorf gebe es keine Produktion. Deshalb fahren alle in die Stadt zur Arbeit, vor allem mit dem Auto. Einen Arzt gebe es auch nicht.

Wie alle kleinen Ortschaften in Bulgarien, so hat auch Blagowo Probleme mit der Infrastruktur. In Anbetracht der Zunahme der Einwohnerzahl wäre es gut, über eine Kanalisation und neue Wasserleitungen sowie eine Kläranlage nachzudenken, findet der Bürgermeister. Er allein könne aber ohne das Zutun der Gemeinde und des Ministeriums nichts erreichen, insbesondere wegen der politischen Instabilität im Land in den letzten zwei Jahren.

Doch es gibt auch Freuden in Blagowo wie zum Beispiel die beiden Erstklässler, die zusammen mit etwa 40 anderen Kindern jeden Tag mit dem von der Gemeinde bereitgestellten Bus nach Montana und zurück fahren. Eine Schule und einen Kindergarten gebe es im Dorf schon lange nicht mehr. Nur der Kinderspielplatz sei geblieben, müsste aber dringend renoviert werden. Das Kulturhaus im Dorf, obwohl es vollständig ausgestattet ist und sogar eine Bibliothek hat, ist geschlossen. Das soll sich aber bald ändern, man sei dabei, eine Vollversammlung für die Wahl einer neuen Leitung zu organisieren, erzählt der Bürgermeister.

„Das Kulturhaus verfügt sogar über einen Computersaal, den das Dorf mit Hilfe der Stiftung „Globale Bibliotheken“ gewonnen hat“, sagt Latschesar Assenow. Er erinnert sich, wie einst Namenstage und wichtige Feste gefeiert wurden und hofft, dass es bald wieder so sein wird. Ideen vonseiten der Bewohner von Blagowo fehlen nicht. Sobald das Kulturhaus wieder offen ist, sollen zwei Tanzgruppen für Volkstänze gebildet werden – eine für Kinder und eine für Erwachsene.

“Die Hauptsache ist nur, dass es keine Epidemie mehr gibt“, hofft der Bürgermeister und erzählt, dass 18 ältere Dorfbewohner an Covid-19 gestorben sind. Man habe noch immer Angst und die Menschen seien verschlossener geworden. Sie gehen seltener unter Menschen, nur zum Brot holen, oder einen Kaffee. Dank der Neuankömmlinge aber gehöre das Dorf der Einwohnerzahl nach zu den Top 5 der Gemeinde Montana“, freut sich der Bürgermeister und blickt der Zukunft optimistisch entgegen. Das Beste, das dem Dorf in letzter Zeit passiert sei, sind die vielen jungen Menschen und die neuen Häuser. Um für mehr Sicherheit in Blagowo zu sorgen, obwohl es hier keine Diebstähle gibt und die Leute ihre Autos nicht abschließen, will der Bürgermeister eine Videoüberwachung installieren lassen.

Text: Diana Zankowa nach Interviews von Kiril Kirilow, BNR-Widin

Übersetzung: Georgetta Janewa

Fotos: BNR-Widin


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