Die Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland, Irene Maria Plank, hat ihr Beglaubigungsschreiben im Januar dieses Jahres überreicht. Sie ist die dritte Frau, die nach der Wende als deutsche Botschafterin nach Bulgarien entsandt wird. In ihrem ersten Interview für den Bulgarischen Nationalen Rundfunk und speziell Radio Bulgarien, spricht sie unter anderem über die Prioritäten ihres Mandates, die Istanbul-Konvention und die Migrantenkrise, sowie darüber, ob Bulgarien zusätzliche Unterstützung von der EU beim Umgang mit den Migrationsflüssen bekommen soll.
Was sind die Prioritäten der neuen deutschen Botschafterin?
„Bulgarien ist mit uns ein Land in der Europäischen Union. Das bedeutet, dass wir alle in diesem Europäischen Haus wohnen. Bulgarien hat die Wohnung auf der anderen Seite des Flurs im selben Haus und es ist natürlich, dass man sehr viele Dinge miteinander zu besprechen hat“, sagt Botschafterin Plank und fügt hinzu: „Und von diesen vielen Dingen sind, glaube ich, gemeinsame Anliegen - jetzt in der europapolitischen Hinsicht, dass wir Bulgarien dabei unterstützen möchten, Mitglied des Schengenraums zu werden und der Eurozone baldmöglichst beizutreten.”
Außer den Prioritäten im politischen Bereich, nennt Botschafterin Plank die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Bulgarien und Deutschland als einen weiteren Schwerpunkt ihres Mandates.
„Deutschland und Bulgarien sind auch beide NATO Mitglieder und ich denke auch das ist ein Bündnis, in dem wir noch stärker zusammenwachsen können. Das wäre für mich auch eine Priorität“, sagt Irene Plank. Zusätzlich nennt sie als eine weitere Priorität die Entdeckung der bulgarischen Zivilgesellschaft, „denn das ist auch ein Schwerpunkt deutscher Außenpolitik: die Zusammenarbeit von anderen Institutionen zu fördern, auf kommunaler Ebene, von Nichtregierungsorganisationen, die Zivilgesellschaft ins Spiel zu bringen.“
Bezüglich der Migrantenkrise: Soll Bulgarien mehr Hilfe von der EU bekommen?
„Die europäischen Länder sind nicht in der gleichen Situation,“ meint Botschafterin Plank. Manche sind eher Zielländer von Migration, wie Deutschland und Frankreich, während die Migration Bulgarien „eher etwas, was sozusagen hindurch geht“ ist.
„Die Probleme der Migration müssen wir zwar als Europa angehen, aber die sind für Bulgarien andere als für Deutschland“ und weil wir alle zusammen in Europa sind, „müssen wir da auch an Lösungen arbeiten“, ist Botschafterin Plank überzeugt.
„Die Sicherung der europäischen Außengrenzen ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt“, betont Botschafterin Plank, sowie „die Diskussion darüber, wie wir das gemeinsam am besten machen“.
Es gibt verschiedenen Meinungen innerhalb der Europäischen Union hinsichtlich der Istanbul-Konvention. Bulgarien hat sich mehrmals gegen das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ausgesprochen.
In Bulgarien, sowie auch in anderen Länder, die die Istanbul-Konvention nicht ratifiziert haben, wie zum Beispiel Ungarn, die Slowakei, Armenien und Litauen, wecken Artikel Misstrauen, wie beispielsweise der Artikel 4 (3), wo von „biologisches oder soziales Geschlecht“ die Rede ist, oder der Artikel 14 (1), laut dem es „angepasste Lernmittel zu Themen wie der Aufhebung von Rollenzuweisungen“ geben sollte.
Deutschland ist anderer Ansicht als Bulgarien.
„Natürlich darf es innerhalb der EU verschiedene Meinungen geben. Niemand kann Bulgarien vorschreiben, wie es sich zur Istanbul-Konvention verhält“, sagt Botschafterin Plank.
„Mein erster Eindruck ist, dass es hier eine ganz leidenschaftliche Debatte um die Istanbul-Konvention gegeben hat. Und wiederum mein erster Eindruck: Ich habe da die Istanbul-Konvention in dieser Debatte gar nicht wiedererkannt.“
Botschafterin Plank äußert ihre Überzeugung, dass die Istanbul-Konvention „ein Meilenstein des europäischen Menschenrechtsschutzes“ ist. „Insoweit würde ich es selbstverständlich begrüßen, wenn die Diskussion in Bulgarien dazu führt, dass mein europäischer Nachbar auf dem anderen Flur auch die Istanbul-Konvention unterschreibt“, sagt sie und fügt hinzu: „Es geht da um die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Das kann kein Mensch, der mit offenen Augen durch die Welt geht, leugnen, dass es da eine spezifische Gewalt gegen Frauen gibt, häusliche Gewalt, Gewalt auf der Straße.“
In verschiedenen Regionen der Welt ist das auch unterschiedlich ausgeprägt, meint die neue deutsche Botschafterin: „Ich habe jetzt auch eine Statistik gesehen zu häuslicher Gewalt in Bulgarien, die sagt, dass ein Drittel aller Frauen zwischen 18 und 29 schon einmal bei sich zu Hause, innerhalb ihrer eigenen Familie, von ihren Partnern oder anderen Familienmitgliedern Gewalt erlebt haben. Das kann nicht in Ordnung sein.“ Laut Berichten hat sich während der Corona-Krise diese Statistik verschlechtert und das nicht nur in Bulgarien, sondern auch in Deutschland und in anderen Ländern auf die ganze Welt.
Deutschland hat die Istanbul-Konvention im Jahr 2017 ratifiziert. „In Deutschland ist die Familie deswegen nicht auseinandergebrochen, sondern eher im Gegenteil: das ist ein Instrument zur Stärkung der Familie, denn dadurch sind rechtliche Grundlagen da“, meint die Botschafterin.
Die Ratifizierung hat eine ganze Infrastruktur ins Leben gerufen, die die Frauen in Situationen von häuslicher Gewalt, zum Beispiel, hilft, erklärt weiter Botschafterin Plank. Sie hilft aber auch den Männern, „die ihre Gewalttätigkeit nicht im Griff haben, in ein anderes Verhaltensmuster hineinzuwachsen“, erklärt Irene Plank.
Laut der deutschen Botschafterin gäbe es so viele Länder auf der Welt, wo die Repräsentanz und die Teilhabe von Frauen am öffentlichen Leben und ihre Möglichkeit, ihr eigenes Leben zu gestalten immer noch so schlecht ist, „dass ein internationaler Frauentag eine gute Sache ist, um uns alle daran zu erinnern, wie viel da noch zu tun ist“.
Das ungekürzte Interview mit Botschafterin Irene Maria Plank finden Sie in der Audiodatei.Das Leben von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, die in ihrem Leben einer Reihe von Herausforderungen wie Krieg, Hunger, Armut ausgesetzt sind, scheint für die westliche Welt, zu der auch Europa und Bulgarien gehören, unbegreiflich. Deshalb..
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