Von einer Kleinstadt im südlichen Ruhrgebiet in Deutschland bis zu einem kleinen Dorf bei Targowischte in Bulgarien. Vor sieben Jahren haben Ben und Lena entschieden, nicht nur nach Bulgarien auszuwandern, sondern ihr Leben komplett neu zu gestalten.
Die Geschichte ihres Expat-Lebens fängt mit einem Hund aus Rumänien an, den sie in Deutschland bekommen haben. Das Tier hat ihr Interesse an dem Ursprungsland Rumänien und an der ganzen Balkan-Region geweckt. Kurz danach entdeckte das Ehepaar Bulgarien als eine touristische Destination.
“Wir haben mit unseren Kindern das Land drei Wochen lang mit einem VW-Bus bereist, Land und Leute kennengelernt. Drei Wochen ist vielleicht ein bisschen wenig, aber uns hat das gereicht, um zu entscheiden: „das wird unser neues Zuhause,” sagen Ben und Lena. Im Oktober 2016 ließen sie ihre Mietwohnung, teilweise ihre Jobs und ihr Leben in Deutschland komplett hinter sich und wanderten nach Bulgarien aus.
Sie waren von den Menschen in Bulgarien und ihre Offenheit beeindruckt, insbesondere haben sie die Menschen aus den ländlichen Regionen begeistert. Damals sprach Ben kein bulgarisches Wort. Lena kannte lediglich die kyrillische Schrift, weil sie in Russland geboren ist.
“Die bulgarische Sprache wird im Nachhinein immer etwas einfacher. Wir machen ein Mal die Woche Unterricht mit einer Lehrerin in der Stadt, die 20 km von unserem Dorf entfernt ist,” erzählt Ben. Sein Lieblingswort auf Bulgarisch: “Приятели”, zu Deutsch Freunde.
Ben erzählt, dass er und seine Frau in Bulgarien viel mehr Freunde haben, als in Deutschland und sie sich akzeptiert und integriert fühlen. Die Entscheidung auszuwandern war aber schwer, weil Bens kleiner Sohn, seine Familie und Freunde in Deutschland geblieben sind. “Wir hatten uns beide entschlossen, etwas Neues zu unternehmen. Wir wussten beide, dass unser Leben, so wie wir es in Deutschland geführt haben, nicht mehr weitergehen kann”, erzählt der Deutsche und ergänzt: “Wir wollten gerne ein eigenes Haus, mehr Tiere, mehr Zeit, aber wir haben für uns in Deutschland keine Perspektive gesehen”.
Er bereut seine Entscheidung, nach Bulgarien auszuwandern nicht und sagt, dass das, was am Anfang negativ war, was gegen eine Auswanderung sprach, sich danach recht positiv entwickelt hat. Man treffe sich nicht so oft mit den Freunden und der Familie, wenn man im Ausland lebt, aber, wie Ben sagt, sind diese Treffen viel intensiver.
Außer seinen Sohn und die Freunde vermisst Ben am meisten aus Deutschland das typische fertige Curryketchup und die Curry-Wurst, sowie eine schöne Eisdiele und einen gut sortierten Plattenladen. Trotzdem scheint es, dass Ben und seine Familie sich in Bulgarien gut zurechtgefunden und integriert haben. Die bulgarische Musik und Küche kennen die beiden schon. “Fernsehsender wie Planeta Folk finde ich total großartig und auf unseren Festen, die wir mit Freunden feiern, gibt es oft Tschalga. Die Musik finde ich ganz witzig,” sagt Ben. Bezüglich der bulgarischen Küche, findet er die typische Schkembé tschorba (die Kuttelsuppe), “ein bisschen merkwürdig”, probiert aber gerne lokales Essen.
Die Entscheidung auszuwandern, fiel Ben sehr schwer und nicht alle Menschen, die er getroffen hat, waren seine “Приятели” und freundlich. Das hat er insbesondere beim Umtausch seines Führerscheins gespürt. Bei der Polizeistelle in Targowiste war er zwölf Mal und jedes Mal wurde er vertröstet, selbst von dem Polizeiinspektor und dem Chef der Polizeiwache. Irgendwann haben Ben und seine Frau gemerkt, dass es nicht nur um Faulheit ging, sondern auch um Diskriminierung. „Das war eine Form von Rassismus irgendwie. Das war sehr unangenehm,” erinnert sich Ben. Auf seine Frage, warum es mit dem Dokument so lange nicht geklappt hat, erhielt Ben vom Polizeichef in Targowiste lapidar die Antwort “така” (“einfach so”). Bei der Lösung dieser heiklen Situation hat letztendlich eine bulgarische Freundin geholfen.
Trotz allem ist dieses Ereignis in all den Jahren das einzige, das Ben als “unangenehm” beschreiben würde. Er sagt, dass er jetzt in Bulgarien glücklich ist und erzählt mit Leidenschaft über sein neunzigjähriges Haus, das er und Lena renoviert und modernisiert haben, über das Schwimmbecken, dass sie gemeinsam gebaut haben, über die Tiere, seinen YouTube-Kanal @undweg2016. Dort erzählt Ben allen, die ein Interesse an Bulgarien haben, meistens Deutsche, oder Leuten, die von anderen Kulturen begeistert sind, Geschichten wie das Leben in einem kleinen Dorf abläuft. Auf dem Kanal werden verschiedene Themen behandelt, von Immobilien und Ausbau vom Haus bis hin zum Bereiben eines Bauernhofs oder die Kastration von Tieren.
“Das sind alles Sachen, die wir nie gemacht haben, weil wir in Deutschland Bürojobs hatten. Bei uns war es nicht nur die reine Auswanderung an sich, ein Landeswechsel, sondern auch ein Lebenswechsel,” erzählt Ben und fügt hinzu: “Zurück nach Deutschland würde ich nicht gehen, ich würde mir eher andere Länder anschauen”.
Es gibt viele Bulgaren, die ihr Land verlassen und nach Deutschland auswandern wollen. Ben ist aber der Ansicht, dass sich ein solcher Schritt nicht immer lohnt. “Natürlich verdient man dort mehr, doch ich würde sagen: Lasst es! Man hat auch viel höhere Ausgaben, sei es die Miete, Versicherung, Steuern, Telefon, Internet, Wasser und Strom.”
Ben sagt, dass er und seine Familie schon sieben Jahre in Bulgarien geblieben sind, weil es ihnen hier gefällt. Für sie bedeutet Bulgarien Freiheit.
Das ganze Gespräch finden Sie in der Audiodatei unten.
Fotos: Interviewpartner
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