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Der bulgarische Pavillon auf der Biennale von Venedig - das Haus der „Nachbarn“

Im Mittelpunkt des Projekts - das Trauma der kommunistischen Vergangenheit und die Art und Weise, wie wir darüber sprechen oder schweigen

Foto: BTA

Zum dritten Mal in Folge und zum elften Mal insgesamt beteiligt sich Bulgarien mit einem eigenen Pavillon an der Kunstbiennale in Venedig, die dieses Jahr vom 20. April bis 24. November stattfinden wird. Das Projekt „Die Nachbarn“, mit dem sich unser Land präsentieren wird, ist eine wissenschaftliche, visuelle und interaktive Auseinandersetzung mit der Erinnerung an politische Gewalt, die uns die kommunistische Vergangenheit hinterlassen hat. Es ist das Werk von Julian Schehirjan, Krassimira Buzewa und Prof. Lilja Topusowa.
Prof. Wenelin Schurelow
„Der Versuch, das Problem der politischen und institutionalisierten Gewalt verständlicher zu machen, war der Schlüssel zum Ansatz und das hat uns sehr beeindruckt“, sagt Prof. Wenelin Schurelow. „Der sorgfältige und einfühlsame Blick auf die Erzählungen der Opfer und Zeugen dieser traumatischen Ereignisse beeindrucken durch ihren Inhalt und die gleichzeitige Distanz. Hervorzuheben ist auch die Rolle der Technologie als eine sehr interessante Lösung.“
„Die Nachbarn“ ist das Ergebnis von fast 20 Jahren Forschung und acht Jahren Zusammenarbeit zwischen den drei Autoren, die auf Wissenschaft und Forschung fußt. Das Projekt wurde bereits Ende 2022 in der Sofia City Art Gallery der bulgarischen Hauptstadt sowie in Toronto und Princeton gezeigt, für den Ausstellungsraum der Biennale von Venedig, den Saal Tizian (Sala Tiziano) im Centro Culturale wurde es jedoch ergänzt und adaptiert. Der gesamte Raum wurde in ein echtes Haus mit verschiedenen Räumen der Erinnerung verwandelt, erzählt der Kurator der Ausstellung Wassil Wladimirow
Wassil Wladimirow
„Der erste Raum ist das Wohnzimmer, der zugänglichste in einem Zuhause. Es ist den Menschen gewidmet, die politische Repression erlebt haben und offen darüber sprechen. Die Besucher können die Interviews unserer Autoren hören. Filmvorführungen und verschiedene Klänge aus den ehemaligen Internierungslagern in Lowetsch und Belene vollenden das Bild. Der zweite Raum ist den Menschen gewidmet, die sich an diese Zeit erinnern, sich aber aus verschiedenen Gründen entscheiden haben, zu schweigen oder nur vage und indirekt darüber zu sprechen. In diesem Raum sind die Klänge gedämpfter und abstrakter. Im dritten Raum - die Küche, sind alle Gegenstände, die an Küchenmöbel erinnern, weiß gestrichen. Dort wird nicht mehr gesprochen, alles ist auf das Abstrakte reduziert. Dieser Raum ist den Menschen gewidmet, die nie Gelegenheit hatten zu Wort zu kommen, den Verstorbenen und denen, die keine Erinnerung an diese Zeit haben. Dort wird es verschiedene Möbelstücke und Gegenstände geben, die durch Aktionen der Besucher und über Mechanismen in Bewegung gesetzt werden, was Teil der persönlichen Erfahrung der Geschichte seitens des Publikums sein wird“, fügt Wassil Wladimirow hinzu und erklärt das Besondere an der Idee und Umsetzung des Projekts „Die Nachbarn“. Der Betrachter wird eingeladen, nicht passiver Beobachter zu sein, sondern durch diese nachgebildeten Räume zu wandern und direkter Zeuge der Erfahrungen derjenigen zu werden, die in ihrem eigenen Land zu Unrecht zu Ausländern erklärt wurden. Das macht das Projekt seiner Meinung nach relevant für das, was derzeit in der Welt passiert.

„Das Projekt wirft Licht auf ein dunkles Kapitel der bulgarischen Geschichte, regt uns aber auch dazu an, über umfassendere Fragen der Identität, Zugehörigkeit und der Folgen politischer Unterdrückung nachzudenken, die nicht nur auf das kommunistische Regime beschränkt ist. Es ist ein Projekt, das sich mit einem viel universelleren Thema beschäftigt und die Frage beantwortet, wie und woran wir uns im Kontext traumatischer Erfahrungen, auch kollektiver, erinnern“, sagt der Kurator.
Während der Zeit des Sozialismus nahm Bulgarien nur zweimal an der Kunstbiennale von Venedig teil. Eine weitere interessante Tatsache ist, dass unser Land zum dritten Mal auf dem Forum durch die Arbeit von im Ausland lebenden und arbeitenden Künstlern vertreten sein wird - zwischen den Grenzen zweier Welten, mit den Worten von Prof. Lilja Topusowa ausgedrückt, die Geschichte an der University von Toronto lehrt und seit langem über den Zusammenhang zwischen politischer Gewalt, Schweigen und Trauma forscht. Prof. Topusowa ist auch Drehbuchautorin des international preisgekrönten Dokumentarfilms „The Mosquito Problem and Other Stories“ des Regisseurs Andrey Paunow, der in Cannes gezeigt wurde. Ihr Kollege Julian Schechirjan teilt seine Zeit zwischen Philadelphia in den USA und Sofia. Er ist Doktorand in Kunst- und Wissenschaftsgeschichte an der Princeton University. Krassimira Buzewa lebt in London und ist Dozentin am London College of Communication. Die letzten sieben Jahren hat sie dem Studium und der Interpretation des osteuropäischen Kommunismus gewidmet.
Das Projekt „Die Nachbarn“ ist eine Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Wissenschaftlern, deren Ergebnis über das traditionelle Kunstwerk hinausgeht.
Übersetzung: Tichomira Krastewa
Redaktion: Georgetta Janewa



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