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Auf den Spuren von Thrakern und Römern in den Ostrhodopen

Man braucht nicht den Spürsinn eines Sherlock Holmes  zu besitzen, um in Bulgarien die Spuren längst vergangener Zivilisationen zu entdecken. Insbesondere die Ostrhodopen sind übersät mit Felsheiligtümern, Hünengräbern, den Ruinen antiker Villen und Festungen – für Archäologen und Geschichtswissenschaftler ein wahres Paradies.

In den Ostrhodopen befindet sich eines der ältesten Sonnenheiligtümer, das wie Stonehenge seine Geheimnisse bis heute eifersüchtig hütet. Die Steinkreissetzung ist in Bulgarien mit einem Durchmesser von rund 10 Metern bedeutend kleiner als die im Südwesten Englands, stammt aber ebenfalls aus der Steinzeit. Die Anlage befindet sich in der Nähe des Dorfes „Dolni Glawanak“ und mit Hilfe des PHARE-Programms wurde ein Informationalzentrum aufgebaut, in dem die Besucher ihren Wissensstand über die Megalithkulturen erweitern können.

Unter den wertvollsten antiken Denkmälern in den Ostrhodopen ist zweifelsohne die Villa „Armira“, etwa 4 Kilometer von der Stadt Iwajlowgrad entfernt. Es handelt sich um eine römische Villa, deren Überreste auch heute noch vom einstigen Prunk künden. Die Anlage ist übrigens die besterhaltenste in Bulgarien. Ihre Geschichte wurde weitestgehend aufgedeckt. Der Bauherr war Nachkomme eines thrakischen Königs und hatte aufgrund von Verdiensten gegenüber dem Römischen Reich die Rechte eines Römischen Bürgers verliehen bekommen. Und so baute er sich in den 50er bis 70er Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts eine großangelegte zweistöckige Villa. Im ersten Stockwerk gab es ganze 22 Räume, darunter ein Festsaal, ein Empfangssaal, etliche Aufenthalts- und Schlafräume und natürlich ein Bad – ganz nach römischem Vorbild. Im zweiten Stockwerk befanden sich einst weitere Schlafzimmer, Räume für Frauenarbeiten u.a. Ein Teil der Villa war mit Fußbodenheizung versehen, eine der vielen praktischen Erfindungen der Römer. Villa „Armira“ ist jedoch vor allem mit ihren herrlichen Mosaikfußböden bekannt.

„In den Mosaiken finden wir einige typische thrakische Symbole, wie beispielsweise die Doppelaxt, die ein Machtsymbol war“, erzählt uns die Reiseführerin Nikolina Rajkowa. „Das Mosaik im Arbeitszimmer des Hausherrn enthält ausnahmslos thrakische Symbole, darunter beispielsweise der für die Thraker typische Schild. Ein häufig anzutreffendes Symbol ist auch das Hakenkreuz – das Ursymbol aller Indoeuropäer. Die Swastika ist ein Glückssymbol und als solches finden wir es in den Mosaiken wider. Unter den pflanzlichen Motiven sind ferner Efeu, der typisch für den aus Thrakien stammenden Weingott Dionysos ist. Es sind aber auch Pflanzen abgebildet, wie Lilien und Tulpen, die sicher auch den Garten der Villa zierten. Der schönste Schmuck ist jedoch im Atrium zu sehen, der den römischen Gepflogenheiten entsprechend in der Mitte ein Wasserbecken besaß – das sogenannte Impluvium. Die Wandverkleidung ist aus Marmor mit verschiedenen Bildhauerarbeiten, wie Pilasterkapitellen. Hermen, das sind Pfeiler mit einem aufgesetzten Kopf, gehören ebenfalls zu den Schmuckelementen. Wunderschön ist auch das Gorgonenhaupt. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die Villa derart prächtig mit Marmor ausgeschmückt ist, denn die Familie befasste sich über ganze vier Jahrhunderte mit Marmorhandel. In der Nähe gab es Steinbrüche, in denen vom ersten bis vierten nachchristlichen Jahrhundert Marmor gebrochen und in verschiedene Teile des Römischen Reiches geliefert wurde. Der hier gewonnene Marmor stand der Qualität nach an vierter Stelle im ganzen Reich,“ berichtet die Reiseleiterin aus der nahegelegenen Stadt Iwajlowgrad.

Unweit der Villa „Armira“ sind Schatzsucher auf einen der größten Grabhügel aus römischer Zeit gestoßen. Der künstlich aufgeschüttete Erdhaufen besitzt einen Durchmesser von 60 Metern und war im erhaltenen Zustand etwa 20 Meter hoch. In dem Grab selbst wurden die ersten Villenbesitzer beigesetzt.

In der Nähe der Villa „Armira“ nimmt aber auch eine Rute ihren Anfang die in die Berge zu einem anderen interessanten Objekt führt. Über die mittelalterliche Festung „Ljutitza“ erzählt uns die Reiseleiterin folgendes: „Die Festung „Ljutitza“ ist eine der größten mittelalterlichen Festungen Bulgariens. Sie ist auch als „Marmorstadt“ bekannt gewesen, weil die Wehranlagen aus dem hiesigen Marmor gebaut wurden“, sagt Nikolina Rajkowa. „Der Grundstein für die Festung wurde im 4. Jahrhundert gelegt, also in einer Zeit, als die Region noch römisch war. In ihrer Geschichte war die Festung mal in bulgarischer, mal in byzantinischer Hand, was für Grenzfestungen dieser Art typisch ist. Die Wehrmauer hat eine Länge von 600 Metern und erreicht eine Höhe von 10 Metern. Einbezogen waren insgesamt 12 Wehrtürme. 8 von ihnen sind bis heute erhalten – fünf rechteckige, zwei runde ein achteckiger Turm. Die Türme im Nordteil der Anlage dienten zusätzlich auch als Wasserspeicher, während sich in den südlichen Wohnungen für das Militär befanden.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

По публикацията работи: Rumjana Zwetkowa


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