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Bulgarien darf nicht voreilig der Eurozone beitreten

Foto: BGNES
Bulgarien sollte erst 2016 oder 2017 an einen Beitritt zur Eurozone denken, da es derzeit dazu nicht bereit sei. Diese Meinung wurde von Wirtschaftsfachleuten geäußert, die sich an einer Diskussionsrunde zu diesem Thema beteiligten.

Vor allem die globale Wirtschafts- und Finanzkrise sei daran schuld, dass Bulgarien vorerst nicht in der Lage ist, den Kriterien für den Übergang zum Euro zu genügen. Die Regierung hatte dennoch alles drauf und dran gesetzt, um in den sogenannten „Warteraum“, den Mechanismus ERM-II zu kommen. Das künstlich heruntergedrückte Haushaltsdefizit brachte aber angesichts der Krise noch weitere Probleme mit sich. Der Staat sah sich außer Stande, seinen Zahlungen gegenüber Privatunternehmen fristgemäß nachzukommen. „Es sei nicht gerechtfertigt, die Stabilität der bulgarischen Wirtschaft zu gefährden, nur um zum Euro überzugehen“, ist Gantscho Gantschew vom Institut für Wirtschaft und internationale Beziehungen überzeugt. Zudem sei man noch weit davon entfernt, allen Kriterien zu genügen. Zwar sei die Landeswährung seit längerer Zeit an den Euro angebunden und auch die Staatsschulden hielten sich in Grenzen, aber die Inflation sei weiterhin hoch, wie auch die Zinssätze.

„Praktisch haben wir mit Ausnahme des Währungskurses und der Staatsschulden mit allen Kriterien Probleme, sie zu erfüllen“, sagt weiter der Wirtschaftsexperte. „Aus diesem einfachen Grund heraus, dürfen wir nichts überstützen und auf Teufel komm raus der Eurozone beitreten. Ein realer Termin ist meiner Ansicht nach 2016 oder 2017. Der schnelle Beitritt in die Eurozone ist mit der objektiven Lage der bulgarischen Wirtschaft und den schweren Strukturproblemen vor uns unvereinbar.“

„Die Einführung des Euro ohne eine handfeste Grundlage dazu wird unser Entwicklungstempo matt setzen“, ist seinerseits der Wirtschaftsprofessor Tschawdar Nikolow überzeugt und argumentiert:
„Bulgarien ist nicht für den Euro bereit und darf nicht zu ihm übergehen, ganz einfach, weil die Preise in Bulgarien durchschnittlich halbsogroß sind im Vergleich zu denen in der Eurozone. Mit dem Übergang zum Euro würde dieser Preisunterschied automatisch ausgeglichen werden. Unsere Preise sind 50 Prozent niedriger und unsere Dienstleistungen sogar um 75 Prozent. Erst wenn unsere Preise in etwa 80 Prozent denen in der Eurozone entsprechen, können wir an einen Beitritt denken. Und das kann frühestens 2016 oder 2017 geschehen.“

Und dennoch ist mit dem Übergang zum Euro auch mit positiven Dingen zu rechnen. Dazu der Wirtschaftsexperte Josif Awramow:
„Auf jeden Fall ist der Beitritt zur Eurozone sehr nützlich, unabhängig der geäußerten Ansicht, dass wir nichts überstützen sollten. Der größte Teil des Banksystems wartet bereits mit Ungeduld darauf, ganz einfach weil damit die Ausgaben für Auslandsüberweisungen sinken. Mit dem Euro werden auch andere große Bankkonsortien Interesse an Bulgarien bekommen, die derzeit nicht auf dem hiesigen Markt sind. Das würde eine Senkung der Zinsen mit sich bringen. Unser Kapitalmarkt würde einen Auftrieb bekommen, der derzeit vor sich hin vegetiert.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
По публикацията работи: Tanja Harisanowa


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