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Bulgarien erwartet die Vollanwendung des Schengener Abkommens im März 2011

"Die volle Anwendung ist aus meiner Sicht ein Abschluss des Beitritts zur EU", sagt Hans Gerhard Döring.
Foto: Privat
Vor nunmehr 25 Jahren wurde im kleinen Luxemburger Weinort Schengen das gleichnamige Abkommen unterzeichnet, das die Kontrollen des Waren- und Personenverkehrs an den gemeinsamen Grenzen der Mitgliedsstaaten weitestgehend abschafft. Im März kommenden Jahres erwartet Bulgarien die Vollanwendung des Schengener Abkommens. Seit Juli 2007 berät ein deutscher Experte den bulgarischen Innenminister zu Schengen-Fragen. Mit Hans Gerhard Döring sprach unsere Kollegin Vessela Vladkova.

Hans Gerhard Döring reist dieser Tage viel – die Evaluierung der technischen Anforderungen aus Brüssel zur Sicherung der Land- und Seegrenzen ist im vollen Gang. Doch politische Auseinandersetzungen auf EU-Ebene könnten den Beitritt verzögern. Frankreich und die Niederlande hatten bereits angedeutet, dass sie dem Termin 2011 "reserviert" gegenüberstehen. Spätestens seit den umstrittenen Roma-Abschiebungen aus Frankreich im vergangenen August und dem Antritt der Rechtsregierung in den Niederlanden sieht sich Bulgarien mit neuen Spielregeln konfrontiert. Die EU-Kommission hat mehrfach betont, dass die Integration von Minderheiten und schwerfällige Reformen in der Justiz nicht mit Schengen vermischt werden dürften. Diese Ansicht vertritt auch Hans Gerhard Döring.

"Es wird manchmal in Interviews von verschiedenen Politikern, insbesondere westlicher Staaten, wie jetzt vor kurzem aus Frankreich oder aus den Niederlanden ausgeführt, dass Bulgarien noch nicht in der Lage wäre, seine Außengrenze zu schützen. Diese Auffassung vertrete ich nicht, denn ich begleite nun die Entwicklung der bulgarischen Grenzpolizei seit 2007. Davor ist die Grenzpolizei fast 7-8 Jahre intensiv vom Bundesgrenzschutz und der Bundespolizei ausgebildet worden und ich bin der Auffassung, dass die bulgarische Grenzpolizei heute eine moderne Grenzpolizei ist."

Obwohl die rein technischen Kriterien bereits erfüllt sind, ist mit der politischen Entscheidung der EU für den Wegfall der Grenzkontrollen nicht vor März zu rechnen. Hans Gerhard Döring erläutert:

"Das hat zwar aus meiner Sicht rechtlich mit dem Schengener Abkommen nichts zu tun, auch nicht mit dem Beitrittsvertrag, denn mit dem Beitrittsvertrag ist man auch dem Schengener Abkommen beigetreten. Das ist von ganz entscheidender Bedeutung, was so viele Leute gar nicht wissen und auch diesen rechtlichen Zusammenhang manchmal auch falsch darstellen. Es gibt da ein so genanntes Protokoll zum Beitrittsvertrag und da steht drin, dass bestimmte Dinge wie zum Beispiel der Wegfall der Grenzkontrollen oder die Anwendung des Schengener Abkommens oder die Ausgabe von Schengen Visa erst dann erfolgen darf, wenn nachgewiesen ist, dass Bulgarien dieses System beherrscht. Viele andere Dinge, die im Schengener Abkommen stehen, werden bereits angewandt."

So auch das Schengen Informationssystem SIS – seit Anfang November ist Bulgarien an diesem Online-Fahndungsregister von bisher 25 Staaten angeschlossen. Konkret bedeutet dies, dass die bulgarischen Behörden entsprechende Fahndungen nach Personen, Kraftfahrzeugen oder Dokumenten jetzt schon rausgeben können, noch vor dem Beitritt zum Schengener Raum. Als erstes Ergebnis des Informationsaustausches wurde in Spanien ein europaweit gesuchter Bulgare festgenommen. Dies geschah anhand von Daten, die Bulgarien in das Schengen-System eingegeben hatte. Der Informationsaustausch funktioniert nach so kurzer Zeit bereits in beiden Richtungen sehr gut, führt Hans Gerhard Döring weiter aus:

"Wir hatten 56 Personentreffer und 38 Treffer im Bereich gestohlene Sachen, Dokumente, Kraftfahrzeuge und ähnliches, und 81 Treffer bei Einreiseverweigerungen im Schengener Raum. Und ich meine, das ist ein guter Erfolg und man kann daran erkennen, dass die Ausbildung der Beamten, und das sind diese Endnutzer bei der Grenzpolizei, bei der nationalen Polizei und auch bei anderen Behörden, erfolgreich war."

Die Vollanwendung des Schengener Abkommens ist für die bulgarische Regierung zu einer Ehrensache geworden. In Zeiten von Wirtschaftskrise und unpopulären Reformen im Inland sucht das konservative Kabinett Borissow händeringend nach Anerkennung aus dem Ausland, um auf Erfolge verweisen zu können. Für Hans Gerhard Döring hat es aber auch einen weiteren Aspekt:

"Die volle Anwendung ist aus meiner Sicht ein Abschluss des Beitritts zur EU. Ich kenne das auch aus Polen, ich bin dort 3 Jahre als Berater tätig gewesen. Man fühlt sich in der Zeit, als man zwar Mitglied der EU war, aber nicht Mitglied im Schengener Raum, als mehr oder weniger Mitglied zweiter Klasse. Es ist eine gewisse emotionale Sache, dass man sagen kann, ich gehöre nun voll dazu. Und es ist einfach etwas anderes, wenn ich über eine Grenze fahre oder über eine Grenze gehe und nicht kontrolliert werde."

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По публикацията работи: Vessela Vladkova


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