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Großmutter Hebamme kommt...

Der Tag der Geburtshilfe ist im bulgarischen Volkskalender als Babinden, zu Deutsch Tag der Großmutter-Hebammen, bekannt.
Foto: BGNES
Am heutigen Tag der Geburtshilfe wollen wir ihnen die langjährige Hebamme Michailka Nikolowa vorstellen, die von den Bürgern der Balkanstadt Karlowo liebevoll Tante Milka genannt wird. Milka gehört zur Altersgruppe 60+ und kann bereits auf 36 Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Ihr Leben ist jedoch mehr als aufregend, denn trotz der Herausforderungen, die ihr Beruf mit sich bringt, hat sie mit Glaube und Hingabe Tausenden Babys auf die Welt geholfen. Einige dieser Babys sind heute vermutlich schon selbst Großeltern.

Eigentlich habe sie sich als 18-jährige an der Medizinischen Fachschule in Plowdiw ganz zufällig für Geburtshilfe eingeschrieben. Der Beruf sei sehr schwer, was sie bereits an der Fachschule feststellen konnte. Mit 21 Jahren begann sie auf dem Land zu arbeiten, wo man sie mit den Worten „Großmutter Hebamme kommt!“ empfangen habe. Das habe sie sehr gewundert, auch wenn die künftigen Geburtshelferinnen von ihrem Dozenten Dr. Hertzel Tschakarow bereits vorab auf diese Anrede vorbereitet worden seien.

Anfang 1966 beginnt Tante Milka im Dorf Hristo Danowo bei Karlowo ihre Hebammentätigkeit. Damals war die Geburtenrate auf dem Land sehr hoch. Die Frauenklinik befand sich im benachbarten Dorf Rosino. Zu jener Zeit gab es nur wenige Ärzte, auf den Dörfern waren ungelernte Landärzte, die so genannten Feldscher, im Einsatz, denen auch die Schwangerschaftsberatung oblag. Hebammen wurden erst in Dörfern mit über 2.000 Einwohnern eingestellt. In der Geburtsklinik gab es zwar Ärzte, die jedoch nicht in der Lage waren, jeder Geburt beizuwohnen. Deshalb musste die Hebamme die meiste Arbeit verrichten, besonders während der Nachtschichten. Zwei Hebammen waren für fünf Dörfer verantwortlich, in denen jährlich 450 Kinder zur Welt kamen. Sie vertrauten auf die eigene Erfahrung und auf die Tatsache, dass sie die werdenden Mütter bereits während der gesamten Schwangerschaft betreuten.

Der Tag der Geburtshilfe ist im bulgarischen Volkskalender als Babinden, zu Deutsch Tag der Großmutter-Hebammen, bekannt. Damals wurde auf das Wohl der Oma-Hebammen und der Kinder angestoßen. Am frühen Morgen goss jede Mutter ihrer Großmutter Waschwasser über die Hände und überreichte ihr Geschenke – ein Handtuch, eine Schürze, Geld, ein mit einer Blume geschmücktes Hemd. Zu Mittag versammelten sich die Frauen im Haus der Großmutter, wohin sie auch Essen mitbrachten. Die Großmutter beweihräucherte ihre weiblichen Gäste, auf dass sie mehr Kinder gebären. Das Gastmahl begleiteten erotisch angehauchte Verkleidungen, Lieder, Scherze und Tänze. Es endete mit einer rituellen Waschung der Großmutter im Fluss oder Brunnen. Die Hebammen, erzählt Tante Milka, hätten hohes Ansehen genossen:

„Das Hebammenfest, der Babinden, ist heilig. In unserer Gegend wurde er nach altem Brauch am 8. Januar gefeiert. Und zwar nach Geburt von Jesus Christus und den so genannten `schmutzigen Tagen`. Man war der Auffassung, dass die Oma-Hebamme übernatürliche Kräfte besitzt und an der Grenze beider Welten lebt, da sie das Kind von der einen in die andere Welt führt. Die Bezeichnung Oma-Hebamme, wie sie von unserem Volk genannt wurde, entspricht nicht immer ihrem Alter, betont jedoch ihre Vorrangstellung gegenüber anderen Frauen. Die rituelle Waschung der Hebamme war ein absolutes Muss, da man glaubte, dass dies dem entsprechenden Dorf leichtere Geburten und mehr Fruchtbarkeit bringen werde.“

Auch heute noch wird Tante Milka auf der Straße von Frauen gegrüßt, denen sie einst geholfen hat, ihre Kinder auf die Welt zu bringen. Übrigens freut sie sich am meisten über die Dankbarkeit der Menschen. Was würde Tante Milka einer werdenden Mutter mit auf den Weg geben?

„Mit der Schwangerschaft verändert sich ihr Leben, sie beginnt an ihr Kind zu denken, was sie zur Welt bringen und später großziehen wird. Alles in ihrem Leben wird sich grundlegend verändern. Sie sollte ein ruhiges Leben führen, auch ihre täglichen Kontakte sind von großer Bedeutung. Und die Empfindungen der Mutter, wie etwa Angst oder der Mangel an entsprechender Ernährung, werden auf das Kind übertragen.“

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Alexej Stambolow


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