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Gastarbeit im Ausland

Foto: EPA / BGNES
Katja Iwanowa kommt aus Plowdiw. Sie gehört zu den modernen Gastarbeitern. Jedes Jahr für etwa sechs Wochen reist sie nach Griechenland, um dort in einem kleinen Hotel zu arbeiten. Mit den Besitzern ist sie mittlerweile befreundet. Morgens arbeitet sie als Zimmermädchen und abends – als Kellnerin im benachbarten Restaurant. So kann sie schon das siebente Jahr in Folge ihre Familie finanziell unterstützen.

Das ist das Schicksal vieler Bulgaren, die gezwungen sind, um ihre Finanzen aufzubessern, sich im Ausland was dazu zu verdienen, denn sie bekommen in ihrer Heimat leider viel zu wenig für ihre Arbeit. Daher ist die große Menschenmenge vor einem Sofioter Hotel, in dem eine Arbeitsbörse für Jobs im Ausland stattfand, keine Überraschung. Sie wird von der bulgarischen Beschäftigungsagentur und vom europäischen Beschäftigungsnetz EURES organisiert. Leute aus dem ganzen Land versuchen Kontakt zu den Jobvermittlern aufzunehmen. Vertreten wurden Arbeitgeber aus Großbritannien, Norwegen, Irland, Griechenland, Schweden, Finnland, Dänemark u.a. Insgesamt gab es 13 ausländische und einige bulgarische Unternehmen. Die Kandidaten sind nicht sehr wählerisch bei der Jobsuche, Hauptsache die Bezahlung stimmt. Die Älteren unter ihnen, die um die 50 sind, testen nur den Boden, um zu sehen, was angeboten wird. Im Gegenteil zu ihnen sind die Jüngeren davon überzeugt, dass sie schnell möglichst eine Stelle im Ausland brauchen.

Die 28jährige Milena aus der Stadt Berkowitza im Nordwesten des Landes wartet bis sie dran ist. Sie ist fest entschlossen, ins Ausland zu gehen und zwar wegen der besseren Bezahlung. Sie hat ihren Lebenslauf mitgebracht. „Ich bin Chemikerin, habe einen Magisterabschluss an der Sofioter Universität gemacht“, sagt sie. „Dann habe ich erfahren, dass Arbeitsplätze für analytische Chemie in Norwegen angeboten werden und habe beschlossen, mich zu bewerben, um meine Familie finanziell zu unterstützen. Ob ich zurückkehren werde, weiß ich nicht“.
Milena ist nicht froh darüber, dass sie ihre Familie verlassen muss, ihrer Meinung nach aber wird sich die Lage mit den Gehältern bald nicht ändern. „Bis dahin wird auch mein Leben vorbei sein“, sagt sie.

Kiril Datzew ist 50 Jahre alt und kommt aus Sofia. Er gab zu, dass er zu der Jobbörse gekommen ist, um zu sehen, was für Angebote es gibt. Leider haben ihn die fast 3000 Kandidaten nicht dazu gelassen. „Von Beruf bin ich Maschinenbauingenieur“, sagt er. „Für mich gibt es keine Arbeit in Bulgarien. Leider konnte ich auch nicht sehen, welche Angebote es im Ausland gibt. Ich habe sowohl bei staatlichen, als auch bei Privatunternehmen gearbeitet. Ich will nicht weg, aber es gibt keine Arbeit für mich hier. Auch wenn ich einen Job im Ausland bekomme, wird das nur vorläufig sein. Ich kann gut Deutsch und habe schon einige Monate in Deutschland gearbeitet, leider konnte ich heute aber nicht reinkommen, um zu sehen, ob was für mich dabei gewesen ist“.
Vor dem Hotel stehen viele junge Menschen. Kiril Datzew ist der Meinung, dass die jungen und gebildeten Bulgaren sich schnell an eine neue Umgebung anpassen werden. „Ihre Wahl ist aber nicht frei, sie ist durch die Umstände in Bulgarien erzwungen“, meint er.

Maria Getschewa gehört zu einer anderen Kategorie der Arbeitssuchenden. Sie will wegen ihrer Kariere ins Ausland gehen und dort bei einer großen Firma arbeiten. Deswegen hat sie einen bekannten Schokoladenhersteller gewählt, der auch in Bulgarien tätig ist. Sie hat Menschliche Ressourcen an der Uni in Sofia studiert und hat bereits bei zwei kleineren Unternehmen gearbeitet. Was erwartet sie von der Börse?
„Ich erwarte eine bessere Bezahlung, die mir ein normales Leben ermöglicht“, erzählt sie. „Fast überall ist der Anfangslohn unzureichend. Ich habe bereits schlechte Erfahrungen mit den kleineren Unternehmen gemacht, deswegen habe ich mich auf größere Konzerne spezialisiert. Ich hoffe, dass ich eine gute Stelle bekommen kann“.

Ganka Penewa kommt aus Wratza, wo die Arbeitslosigkeit am schlimmsten ist. Wie sie selbst sagt, ist es dort sehr schwer, sogar fast unmöglich, Arbeit zu finden. Sie ist zu der Börse zusammen mit anderen Frauen aus ihrer Region gekommen. Sie hat ihre Ausbildung während des Sozialismus gemacht, musste aber in den Jahren des Wandels danach arbeiten. Für einige war diese Umstellung schwierig, man musste oft das arbeiten, was gerade gefragt war und nicht das, wofür man studiert hat. Bei ihr war es auch so ähnlich. Ganka hat eine Ausbildung als Elektromonteurin abgeschlossen.
„Ich habe zwar als Verkäuferin gearbeitet, werde aber gern einen Job in der Landwirtschaft annehmen. Ich kann momentan meine Kinder, die in der Ausbildung sind, nicht unterstützen, deswegen will ich ins Ausland“, meint sie. „Das Geld sollte reichen, damit man wenigstens eine Rechtfertigung dafür hat, dass man sein Zuhause verlassen hat“, sagt sie abschließend und nimmt ihren Platz in der Schlange auf dem Weg zu einer besseren Bezahlung und einen Job im Ausland ein.

Übersetzung: Milkana Dehler
По публикацията работи: Milka Dimitrowa


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