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Für und Wider Atomkraft

Der 25. Jahrestag des Super-Gaus in Tschernobyl heizte hierzulande erneut die öffentliche Diskussion über den geplanten Bau des zweiten Atommeilers bei Belene an.
Foto: EPA / BGNES
Gestern gedachte die Welt der Atomkatastrophe von Tschernobyl. Am 26. April 1986 um 01.23 Uhr Ortszeit war der 4. Reaktorblock des Kraftwerks im Norden der Ukraine explodiert, nachdem er sich infolge einer außer Kontrolle geratenen Notfallübung überhitzt hatte. Die Strahlung entsprach der Explosion von mindestens 200 Hiroshima-Bomben. Die Atomwolke breitete sich schneller aus, als die Information über den Reaktorunfall. Offiziell bekannt gegeben wurde dieser erst am Abend des 28. April.

In den betroffenen Regionen in der Ukraine, in Weißrussland und im Westen Russlands mussten Hunderttausende ihre Häuser verlassen. Die Atomwolke breitete sich über weite Teile Europas und des Balkans aus, auch über Bulgarien.
Genaue Angaben über die Auswirkungen der Havarie auf die Gesundheit der Menschen gibt es nicht. Laut einem UN-Bericht aus dem Jahr 2005 seien 1.000 Personen unmittelbar nach der Katastrophe hoher Strahlung ausgesetzt gewesen, von denen im Folgejahr 134 an der Strahlenkrankheit verstarben. Langfristig sei Tschernobyl für einige tausend Fälle von akuten Krebserkrankungen verantwortlich, verweist der UN-Bericht und widerspricht damit den Daten der Umweltorganisation Greenpeace, die dem Super-Gau den Tod Zehn- ja sogar Hunderttausender zuschreiben.

Der jüngste Vorfall im japanischen Atommeiler Fukushima 1 und der Jahrestag des größten Super-Gaus in der Atomkraftgeschichte heizte hierzulande erneut die öffentliche Diskussion über den geplanten Bau des zweiten Atommeilers bei Belene an. Diskutiert werden wirtschaftliche, ökologische und politische Argumente für und wider den Atommeilerbau.

Nur zur Erinnerung. Ein Teil der Anlage steht bereits, auch ein Teil Ausrüstung ist bereits fertiggestellt, wurde allerdings noch nicht geliefert. Das einzige Problem, so Atomstroj-Vizepräsident Genadi Tepkjan, seien die Verhandlungen über den Preis der Zentrale. Laut russischer Seite belaufe sich der festgelegte Preis für den Meilerbau seit November 2010 auf 6,298 Milliarden Euro. Bulgarien hält an einer Obergrenze von fünf Milliarden fest und hat die britische HSBC-Bank beauftragt nachzuweisen, dass das Projekt wirtschaftlich machbar ist.

Was die Sicherheit betrifft, so die Projektmacher, seien die Reaktorblöcke die sichersten der Welt... Eigentlich, meinen bulgarische Ökologen, brauche das Land keine weiteren Reaktorblöcke. Das Land, so Todor Todorow von der Öko-Vereinigung „Für die Erde“, brauche eine entsprechende Energiestrategie.

„Die Atomkraftnutzung soll nicht abrupt gestoppt werden. Wir brauchen einen Energiemix, der sich allmählich zugunsten der grünen Technologien verlagert. Und man sollte zuerst die restliche Laufzeit des existierenden Atommeilers ausschöpfen, anstatt unnütz Riesensummen in den Bau eines weiteren AKWs zu pumpen. Diese Gelder könnten für grüne Technologien, für eine bessere Energieeffizienz verwendet werden, wo Bulgarien EU-weit Schlusslicht ist. In Bezug auf die vielgepriesenen, niedrigen Atomstrompreise sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Die Beispiele Fukushima und Tschernobyl haben vor Augen geführt, welche Riesensummen erforderlich sind, um die Meiler zu sichern.“

Der Abgeordnete Petar Dimitrow von der Koalition für Bulgarien, Wirtschafts- und Energieminister unter der Vorgängerregierung, ist von der Notwendigkeit eines zweiten Atommeilers in Bulgarien überzeugt. Die Energetik, so Dimitrow, sei eine der wichtigsten Branchen des Landes.

„In dieser Branche sind wir national und international absatzstark, d.h. unsere Energetik ist wettbewerbsfähig. Es ist im Interesse unseres Landes, diese weiter auszubauen. Die Bulgaren interessiert vor allem der soziale Aspekt, d.h. die Strompreise der kommenden Jahre.“
Seiner Meinung nach würde der Meilerbau keine staatlichen Zuschüsse verschlingen, da dieses gegen die europäischen Vorschriften wäre. Und Energieeffizienz, so Dimitrow, sei ein ganz anderes Thema.

Jeder zweite Bulgare befürwortet die Fortsetzung des Meilerbaus. Das belegen die Ergebnisse einer April-Umfrage von Gallup International – Bulgaria. 48 Prozent sind der Ansicht, dass das Projekt zu Ende geführt werden müsse, 15 Prozent sind für die Einfrierung des Meilerbaus. 37 Prozent hatten dazu keine Meinung. Die komplizierte Debatte geht weiter.

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Iliana Rajtschewa


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