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Die Sophien-Kirche – Namensgeberin der bulgarischen Hauptstadt und stumme Zeugin der Stadtgeschichte

Die Sophienkirche ist eine der bedeutendsten frühchristlichen Basiliken Südosteuropas
Foto: Maria Peewa
Heute begeht die bulgarische Hauptstadt Sofia ihren Feiertag. Der 17. September ist jedoch nicht, wie einige annehmen könnten, der Gründungstag Sofias, erwähnt in irgend einer Urkunde oder Chronik, denn die früheste Geschichte der Stadt verliert sich in der Zeit vor der Erfindung des geschriebenen Wortes. Am 17. September ehrt im Grunde genommen die orthodoxe Kirche die heilige Sophia und ihre drei Töchter Spes, Fides und Karitas (zu Deutsch Glaube, Hoffnung und Liebe); die katholische Kirche tut das am 1. August. Doch Sofia ist nicht nach dieser Heiligen benannt, sondern nach der altehrwürdigen antiken Basilika „Heilige Sophia“, geweiht der „Weißheit Gottes“.

© Foto: Maria Peewa

 

© Foto: Maria Peewa

Die Sophienkirche steht heute im Zentrum Sofias. Bei ihrer Erbauung in antiker Zeit stand sie jedoch außerhalb der Stadtmauern, etwa 550 m vom Osttor entfernt auf einer Anhöhe am Rande des Friedhofes der einstigen römischen Provinzstadt Serdika. Dieser Friedhof hatte innerhalb von 3 Jahrhunderten, nachdem die Stadt von den Römern ausgebaut wurde, ein beträchtliches Ausmaß erreicht. Während der Christenverfolgungen zu Beginn des 3. Jh. sind auch in Serdika Christen in der Arena den Märtyrertod gestorben, die am Rande des Friedhofes beigesetzt wurden. Als das Christentum 313 offiziell von Konstantin den Großen anerkannt wurde, ließen sich viele Bürger Serdikas in unmittelbarer Nähe zu ihren Märtyrern beerdigen. Und so entstanden auf der Anhöhe eine Gruft neben der anderen. Dicht beieinander liegen alte gemauerte Grüften thrakischer Bürger, denn diese lebten ja weiterhin in der Stadt und pflegten ihre Kultur und Traditionen weiter, wie auch römische Grabanlagen, teils heidnisch, aber in der Mehrzahl christlich. In Angedenken an die christlichen Märtyrer errichteten die Stadtbürger an dieser Stelle zuerst eine kleine Gedächtniskirche. Das geschah sicher noch zu Zeiten Konstantin des Großen, der sich übrigens hier in Serdika häufig aufhielt und auch die Hauptstadt des Römischen Reiches hierher verlegen wollte. Dieser recht bescheidene Bau erweis sich schnell als zu klein und wurde in den nachfolgenden Jahrhunderten durch immer größere Kirchen ersetzt, bis schließlich eine große Basilika errichtet wurde. Münzfunde bezeugen, dass während der Herrschaft des byzantinischen Kaisers Arkadios (395-408) eine Kirche errichtet wurde, auf deren Fundamenten sich die jetzige Sophienkirche erhebt. Fachleute schlussfolgern, dass bei den Hunneneinfällen 441 bis 447 dieser Bau zerstört worden ist und unter Markianos (450-457) die Kirche getreu dem Vorgängerbau wiederrichtet wurde. D.h. beide Bauwerke können architektonisch als identisch gelten, so dass die Sophienkirche (ein Gebäude aus der Mitte des 5. Jh.) die Architektur Ende des 4. Anfang des 5. Jh. wiederspiegelt. Das Gebäude beeindruckt selbst heute noch mit seinen Ausmaßen: die Gesamtlänge beträgt etwas mehr als 50 m bei einer Breite von 35 m. Ein reiner Ziegelbau, der bis zu den Gewölben die Jahrhunderte überdauert hat.

© Foto: Maria Peewa

Im Jahre 809 wurde Serdika dem Bulgarischen Reich einverleibt und erhielt ein Jahrhundert später den Namen Sredetz. Die Sophienkirche erfreute sich einer großen Berühmtheit. Erste urkundliche Erwähnungen finden wir in einer Stifterurkunde aus dem Jahre 1329. Die Sophienkirche war damals eine der größten Bischofskirchen des Bulgarenreiches. In einer Urkunde des Zaren Iwan Schischman aus dem Jahre 1382, die dem Dragalewtzi-Kloster, unweit der Stadt überreicht worden ist, wird vom “Gebiet der Kirche der Hl. Sophia” gesprochen. Seit jener Zeit scheint der Name der Kirche selbst auf die Stadt übertragen worden zu sein.

“Sophia” ist ein griechisches Wort und steht für Weißheit. Die Sophienkirche wurde bei ihrer Errichtung nach der “Weißheit Gottes” benannt. Erst im Spätmittelalter fand eine Übertragung statt. Ende des 1. und zu Beginn des 2. Jh. lebte den Überlieferungen zu Folge in Rom eine Frau Namens Sophia mit ihren drei Töchtern. Sie wurden auf Grund ihres christlichen Glaubens Opfer der Christenverfolgungen und zu Märtyrerinnen. Die Reliquien der Hl. Sophia ruhen seit dem Jahre 777 im Elsass, Frankreich. Im Spätmittelalter scheinen die Menschen weniger von Kirchenphilosophie gehalten zu haben und diese Heilige stand ihrem Alltag und ihren Problemen näher, als die “Weißheit Gottes”, die ihnen in den schweren Zeiten der osmanischen Eroberung der Balkanhalbinsel im 14. Jahrhundert nicht die ersehnte Hoffnung bot.
Nach der Einnahme der Stadt durch die Türken wurde die Sophienkirche auf Grund ihrer Größe als Zeughaus verwendet, wo wertvolle Beutestücke aufbewahrt wurden. Ihre Verwendung als eine Art Lagerhaus für die unterschiedlichsten Dinge ist bis ins 16. Jahrhundert nachweisbar, als sie in eine Moschee umgestaltet worden ist. Angebaut wurde ein Minarett und besonders die Innenausstattung wurde grundlegend verändert. Baulich blieb jedoch alles beim alten.

Die schlimmsten Schäden an dem Gebäude entstanden in Folge von zwei schweren Erdbeben. Nach dem ersten im Jahre 1818 wurde es notdürftig wieder instand gesetzt. Nach dem zweiten im Jahre 1858 ließ man es aber sein und nutzte einige heil gebliebene Räume für weltliche Zwecke.
Nach der Befreiung des Landes von der Türkenherrschaft 1878 änderte sich zunächst nichts und das teilweise eingefallene Bauwerk, war Jahre lang der Witterung ausgesetzt. Stark gläubige Bürger richteten notdürftig im Südschiff eine Kapelle ein. Aber auch die Feuerwehr nutze den Bau, indem über der Kuppel ein Wachhäuschen eingerichtet wurde.

© Foto: Maria Peewa

Eine vollständige Sanierung erfolgte erst 1927. Wieder vollständig als Kirche genutzt, erhielt sie aber keine neue Innenausmalung. Sie wurde lediglich neu verputzt und wirkte durch ihre monumentale Schlichtheit, was auch heute, nach erneuten, ganze Jahrzehnte beanspruchende Restaurierungsarbeiten der Fall ist.

Die Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten gehen jedoch weiter und zwar im unterirdischen Teil, wo sich die unzähligen Grabkammern und die Mauerzüge der Vorgängerbauten, teilweise mit umfangreichen Mosaiken, befinden.

Die Arbeiten im unterirdischen Teil der Basilika laufen bereits seit elf Jahren – in den letzten drei Jahren wurde jedoch die meiste Arbeit getan“, erzählt Architekt Wassil Kitow, Leiter der Arbeitsgruppen, die die Pläne für die Einbeziehung der archäologischen Funde in das moderne Städtebild erarbeiten. „Die Forschungsarbeiten unter der Basilika sind abgeschlossen und nun können Bedingungen zur Besichtigung des historischen Erbes geschaffen werden. Interessant sind neben den Fundamenten der Vorgängerbauten der Sophien-Basilika auch die vielen erhaltenen Grabkammern. In den letzten Jahren wurden überraschender Weise 15 neue solcher Anlagen entdeckt. An dieser Stelle muss ich unbedingt sagen, dass alle diese Gruften Familiengrabstätten sind. Die Namen der beigesetzten Personen und Familien sind unbekannt, zumal die Grabstätten bereits in der Antike ausgeraubt worden sind. Es wurden nur einige weinige Gegenstände gefunden, darunter übrigens sogenannte Lacrimarien – kleine Glasfläschchen, die zur Aufnahme der Tränen dienten, die die Verwandten für den Verstorbnen vergossen haben.

Die Restaurierungs- und Konservierungarbeiten des unterirdischen Teils der Sophien-Kirche haben rund anderthalb Millionen Euro gekostet – ein Sechstel davon hat die Europäische Union beigsteuert. Ende dieses Monats soll auch dieser Teil der Basilika für Besucher zugänglich gemacht werden. Die Namensgeberin der bulgarischen Hauptstadt, stumme Zeugin vieler Jahrhunderte der Stadtgeschichte, wird so mehr erzählen können, aber weiterhin so manch Geheimnisse für sich behalten, wie es sich für eine Weißheit geziemt.

Autor: Wessela Krastewa, Wladimir Wladimirow



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