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Balkanforum für Berufsbildung

Foto: hwk-koblenz.de
Inwieweit besteht die Gefahr, dass sich im Zeitalter von Hochtechnologien und Internet Installateure, Elektriker und Maurer, Bergleute und Kfz-Schlosser, Friseure rar machen als auch die kleinen Bäcker- und Konditoreien verschwinden, die uns nostalgisch daran erinnern, dass der Alltag außerhalb des Büro voller Geschmack und Aroma ist?

Natürlich besteht diese Gefahr und bedroht vor allem die Kleinst- und Kleinunternehmen im Handwerksbereich. Dabei handelt es sich um wirtschaftlich bedeutsame Handwerke, die im Gegensatz zur Industrie im Dienste konkreter Kunden stehen und deshalb nur Einzelstücke oder geringe Serien herstellen. Auch unterscheiden sich die Anforderungen im Handwerksbereich von der Industrieproduktion.

Nun will man im Rahmen des Balkanforums für Berufsbildung Erfahrungen austauschen, die Gründe für die Probleme bei der Berufsausbildung in den Staaten der Region erforschen und dafür nach Lösungen suchen. Am Forum, das am 16. Mai in Sofia stattfand, beteiligten sich Vertreter der Bildungsbehörden aus Bulgarien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Moldawien und Montenegro als auch Vertreter der Handwerkskammer Koblenz. Veranstalter war das Mittelstandsbüro Balkan, dem 38 Arbeitgeberorganisationen sowie Organisationen des handwerklichen Mittestandes aus zehn Balkanstaaten plus Deutschland angehören. Schwerpunkt der Zusammenkunft war die mangelnde praxisnahe Berufsausbildung. Die Berufsschulbasis in den Balkanländern ist veraltet. Für die Neuausstattung von Ausbildungswerkstätten fehlt das Geld. Auch mangelt es an praxisnaher Ausbildung.

"Die Lage in den einzelnen Balkanstaaten analysierend, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Wirtschaft und Ausbildungseinrichtungen nicht kooperieren - erklärt der Geschäftsführer des Balkanbüros Emil Wassilew. - Die Schule arbeitet im Alleingang und ist vorwiegend auf die fundamentalen Wissenschaften ausgerichtet. Wenn diese Schüler die höhere Schulbildung abschließen und danach kein Studium aufnehmen, sind sie in der Praxis den Anforderungen der Unternehmen nicht gewachsen. Das System hinkt und ist mit vielen Mängeln behaftet. Derzeit versuchen wir, die Lage in den einzelnen Balkanstaaten zu analysieren. Wir wollen herausfinden, wo die Hauptschwächen liegen und, ob bewährte Praktiken in anderen Ländern umsetzbar sind."

Nach Meinung der Fachleute habe die Berufsbildung in den Balkanstaaten vieles gemeinsam, was auch für die Probleme gelte. "Es wäre nicht schlecht, wenn wir diese Probleme gemeinsam lösen könnten", meint Antoaneta Katzarowa, Chefexpertin bei der Staatsagentur für Berufsbildung. Aus persönlicher Erfahrung weiß sie, dass man auch in Deutschland, in Italien und anderen Ländern über die materielle Basis, die Ausbilder u.a. klagt. Inwieweit besteht die Gefahr, dass Elektriker, Fliesenleger, Kosmetiker oder Köche rar werden?

"Es hat sich herausgestellt, dass der Nachwuchs weder Fliesenleger, noch Schweißer oder Bergarbeiter werden will. Bei der Schulwahl suchen die Kids nach attraktiven Berufen, zu denen die o.g. leider nicht gehören - erläutert Antoaneta Katzarowa. - Für diese Berufe gibt es jedoch eine enorme Nachfrage. In den wohlhabenden Ländern werden diese Tätigkeiten größtenteils von Einwanderern verrichtet. Aber auch bei uns gibt es ein solches Problem, da sich vor allem ältere Menschen diesen Berufen zuwenden, die sich davon berufliche Verwirklichung und Einkommen versprechen."

Über den Nutzen solcher Balkanforen, als auch über die Möglichkeit, dass die polnischen Installateure eines Tages von ihren Kollegen aus den Balkanstaaten abgelöst werden, sprachen wir mit dem stellvertretenden Bildungsminister des Kosovo, Usmen Baldzi.

"Die Foren sind sehr hilfreich, da es in allen Balkanstaaten Berufsbildungssysteme gibt und wir hier unsere Erfahrungen weitergeben- und aus den Erfahrungen der Nachbarländer lernen können - meint Usmen Baldzi. - Wir wollen, was das Niveau sowie die Fähigkeiten und Fertigkeiten unserer Landsleute betrifft, mit Europa Schritt halten. Alle Balkanstaaten wollen der EU beitreten. Wir wollen natürlich auch, dass unsere Arbeitskräfte so arbeiten, wie es ihre europäischen Kollegen tun. Zwischen Bulgarien und dem Kosovo gibt es keinen großen Unterschied. Wir haben viele Jahre lang unter ein und demselben System gelebt. Jetzt haben wir die gleichen Ziele, Wünsche und Probleme. Bulgarien hat als EU-Mitglied einen gewissen Vorsprung, Aufgrund unserer gutnachbarlichen Beziehungen bin ich sehr gern nach Sofia gekommen. Meiner Ansicht nach haben unsere beiden Völker vieles gemeinsam. Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit - in diesem Sinne ist der Unterschied nicht allzu groß. Ihre Frage, ob der polnische Installateur von seinen Kollegen aus den Balkanländern abgelöst wird, ist berechtigt, denn wir haben sehr gute Handwerker. Leider haben wir keine florierende Wirtschaft und das Geld sitzt in Europa. Ich denke, dass die jungen Bulgaren und Kosovaren in Europa ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen werden. Letztendlich ist das Handwerk auf dem Balkan zu Hause und nicht in Europa. Meine Verwandten und Vorfahren haben in allen Städten Bulgariens gearbeitet. Sie haben Hirsebier und Limonade verkauft oder waren als Handwerker tätig."

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Tanja Harisanowa


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