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„Weil ich ein Vogel im Flug bin” – 136 Jahre seit der Geburt des Poeten Pejo Jaworow

Foto: Archiv

Vor 136 Jahren wurde in der Stadt Tschirpan Pejo Jaworow – einer der größten Dichter Bulgariens geboren. Am 29. Oktober dieses Jahres werden es 100 Jahre seit seinem tragischen Tod sein. In der bulgarischen Lyrik gibt es keine Liebesgedichte, die fesselnder und leidenschaftlicher sind. Und es gibt keinen anderen Dichter, dessen Schicksaal so dramatisch gewesen ist. Mehr darüber erfahren wir von dem Direktor des Jaworow Hauses in Tschirpan und Vorsitzender der Stiftung „Jaworow“ – Todor Iwanow.

Mit sieben Jahren schrieb Jaworow seine ersten Gedichte und rief die Bewunderung seines Literaturlehrers hervor, der seine Gabe sofort erkannt hat. Auf Drängen seines Vaters aber, der der Meinung ist, dass die Männer Geld verdienen müssen, unterbrach Jaworow seine Ausbildung und wurde Telegrafist in der Schwarzmeerstadt Pomorie. Die Dichtung blieb aber nach wie vor seine Leidenschaft. So erschien zu Beginn des neuen Jahrhunderts, im Jahre 1901 sein erster Gedichtsband mit emblematischen Werken wie „Kalliope“, „Armenier“ u.a. Im Jahr darauf ging Jaworow nach Mazedonien, um für die Befreiung dieses Landesteils zu kämpfen, der damals noch unter türkischer Herrschaft gewesen ist.

„Im Jahre 1903 kämpfte er an der Seite von Gotze Deltschew in Mazedonien“, berichtet weiter Todor Iwanow. „Aber nach der blutigen Zerschlagung des Aufstandes und dem Tod von Gotze Deltschew fiel Jaworow in einer tiefen Krise hinein. Trotzdem erschien bald ein weiterer Gedichtsband, der sehr gut von der Kritik aufgenommen wurde“.

Die große Liebe von Jaworow war Mina Todorowa, die Schwester des Schriftstellers Petko Todorow. Ihr widmete er sein Meisterwerk „Zwei schöne Augen“. Leider verstarb sie im zarten Alter von 20 Jahren an Tuberkulose in Paris. Nach ihrem Tod hat Jaworow sehr lange keine Gedichte mehr geschrieben. Er reiste nach Paris und besuchte jeden Tag das Grab seiner Geliebten. Später lernte er die Tochter des bekannten Politikers Petko Karawelow – Lora, bei einem Ausflug bei Sofia kennen.

„Sie kam damals gerade aus Paris zurück, wo sie ihre Ausbildung abgeschlossen hatte“, erklärt weiter Todor Iwanow. „Sie sprach vier Sprachen, spielte Klavier und malte sehr schön und war mit einem für sie etwas zu langweiligen Mann verlobt, der aber eine gute gesellschaftliche Stellung hatte. Jaworow war so stark von der Begegnung mit Lora beeindruckt, dass er gleich nach dem er nach Hause gegangen ist, sein erstes Gedicht seit langer Zeit geschrieben hat, das emblematisch für sein Schaffen bis seinem Tod bleibt“.

1908 war Pejo Jaworow bereits Dramaturg im Nationaltheater in Sofia und sehr populär. Lora hat versucht ihn mit allen möglichen Mitteln für sich zu gewinnen, sie hat auf ihn nach den Vorstellungen gewartet, hat ihm Briefe geschrieben und Blumen geschenkt. Trotz all seiner Bedenken und Vorahnungen, dass diese Verbindung tragisch enden wird, gab Jaworow nach und heiratete sie im August 1912. Zu dieser Zeit war er Vertreter der Mazedonischen Befreiungsorganisation in Sofia und hat die Waffen, den Stempel und das Geld der Organisation in seiner Wohnung aufbewahrt. Lora hat ihm dabei geholfen, sie war aber krankhaft eifersüchtig, sogar auf die tote Mina. Nach einem Streit im November 1913 nahm sie seine Pistole und erschoss sich in die Brust, wie Jaworow später dem Untersuchungsrichter erzählte. Eine halbe Stunde danach, hat der Dichter versucht sich ebenfalls das Leben zu nehmen, verlor dabei aber nur sein Augenlicht.

Die Verwandten von Lora glaubten, dass Jaworow sie erschossen hat. Das Jahr 1914, das letzte im Leben des Dichters, ist auch das Schlimmste gewesen. Das Publikum hielt ihn für ein Mörder, er verlor seine Arbeit am Theater und blieb mittellos. Bis zu seinem Tod Ende Oktober 1914, schwor Jaworow auf seine Leibe zu Lora und auf seine Unschuld. Unfähig, das Ganze weiter zu ertragen, nahm er schließlich Gift und erschoss sich, um sicher zu sein, das er diesmal Erfolg haben wird. Die ganze Stadt versammelte sich, um Abschied von ihm zu nehmen. Der Literaturkritiker Bojan Penew sagte damals: „Wir können jetzt nicht verstehen, was wir verloren haben, aber die nächsten Generationen werden es begreifen, welches Genie uns heute verlassen hat“.



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