Seit 2000 hat Bulgarien von der Europäischen Union über verschiedene Programme, Direktzahlungen und Fonds insgesamt 7,7 Milliarden Euro erhalten. Das belegt die Statistik der Bulgarischen Zentralbank BNB. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können wir vermerken, dass die Veränderungen seit dem EU-Beitritt Bulgariens am 1. Januar 2007 positiv sind. Manche Wirtschaftsbereiche haben profitiert, andere nicht. Trotz des "Goldregens" aus den EU-Fonds haben die EU-Regulierungen, die ausgeprägte Bürokratie und die Konkurrenz an den europäischen Märkten zu Handelskriegen und zum Aus vieler Unternehmen geführt. Was hat unser Land aus dem EU-Beitritt gewonnen und was verloren? Dazu ein Interview von Radio Bulgarien mit dem Makroökonom Georgi Angelow.
Wo stände Bulgarien heute ohne EU-Beitritt?
"In den schwierigen Krisenjahren werden wir uns offensichtlich bewusst, welches Glück wir mit dem EU-Beitritt hatten. Anderenfalls wären wir möglicherweise in der Lage der Ukraine. Wir haben es in die EU und NATO geschafft und haben in einem verhältnismäßig günstigen Augenblick große Schritte in Richtung Integration getan, was uns jetzt hilft, wenngleich wir uns über die Krise beschweren. Wir haben in der EU einen soliden institutionellen Rahmen. Wir haben Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Universitäten, zu Entwicklungsmöglichkeiten, die für Nicht-EU-Staaten nicht zugänglich sind, weswegen sie sich auch nicht so schnell von der Krise erholen werden."
Warum hinkt Bulgarien den anderen neuen EU-Staaten hinterher?
"Meiner Ansicht sind wir nicht langsamer als die anderen EU-Staaten. Ich würde eher behaupten, dass wir es nicht eilig genug haben, um sie überholen zu können. Während der ersten Erweiterungswelle2004 stand die Gemeinschaft den neuen Mitgliedsstaaten wohlwollender gegenüber, auch waren diese Länder besser vorbereitet. Wenn man sich vor Augen führt, um wie vieles weniger wir vorbereitet waren, ist unser EU-Beitritt 2007 ein großer Erfolg. Unser Beitritt erfolgte genau zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Wirtschaftskrise. Da kann man natürlich nicht so profitieren wie die anderen Staaten. Die Frage ist, inwieweit wir in der Lage sind, in vollem Umfang aus der EU-Mitgliedschaft zu profitieren. Hier fällt die Antwort pessimistischer aus. Das, was von den Firmen und den einzelnen Bürgern abhängt, wird in höherem Maß realisiert als das, was von den Behörden, von den Regierungen abhängt."
Welche Wirtschaftssparten haben aus unserer EU-Mitgliedschaft profitiert und welche nicht?
"Diejenigen, die besser auf den größeren Markt vorbereitet waren, haben davon profitiert. In den Krisenjahren ist die Exportbranche besser aufgestellt als der Rest der Wirtschaft. Diejenigen, die nur auf den Binnenmarkt fixiert waren und die Vorteile des Wegfalls der Grenzen und der Mitgliedschaft in der europäischen Familie nicht zu nutzen wussten, haben in höherem Maße verloren. Sie haben die EU-Fonds nicht für sich genutzt und andererseits erwiesen sich die europäischen Regulierungen als ein zu harter Brocken für sie."
Wir hielten die EU-Fonds für "Goldregen", der sich über unsere Wirtschaft ergießen wird. Welche reelle Wirkung haben diese Fonds?
"Die EU-Fonds wurden unter allen Ministerien aufgeteilt, damit jeder etwas abbekommt. Allerdings gab es kein gemeinsames Ziel, es wurde nicht festgelegt, was mit diesen Mittel erreicht werden soll. Ohne Ziele kann man wohl keine besonderen Ergebnisse in der Wirtschaft abrechnen. Was den Goldregen betrifft, hat die Qualität der Ausgaben Vorrang. Die Gelder wurden ineffizient verausgabt und verschwanden in den gleichen Löchern, in den auch unsere nationalen Gelder verschwinden. Das trifft auf sehr viele Fälle zu. Allerdings haben wir auch Positivbeispiele."
Sind 7 Jahre EU-Mitgliedschaft ausreichend für Schritte nach vorn?
"Was den Beitrittszeitpunkt betrifft, hatten wir weniger Glück. Von diesen 7 Jahren sind wir und die Gemeinschaft 5 Jahre in der Krise. Das lässt wohl nur wenige wirtschaftliche Ergebnisse erwarten. Aus dem Gesichtspunkt anderer Effekte, wie strukturelle Langzeitindikatoren, profitieren wir aus der EU-Mitgliedschaft, was sich weiter verstärken wird. Das gilt auch für die EU-Fonds. Die EU-Fonds sind Mittel der Gemeinschaft, die Veränderungen fördern sollen. In den kommenden 7 Jahren werden wir den Rückstand vielleicht aufholen", meint der Makroökonom Georgi Angelow abschließend.
Übersetzung: Christine Christov
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