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Herzlich willkommen im Reich des Hades - die Teufelsrachenhöhle

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Foto: Weneta Nikolowa

Wer einmal ihre Schwelle überschreitet, um in ihr tausendjähriges Halbdunkel vorzudringen, wird sich wie ein schutzloses Element des Universums fühlen. Das Getöse der herabfallenden Wassermassen, die in einem abgründigen Labyrinth verschwinden, lässt einen vor der Erhabenheit von Mutter Natur erschaudern. Wenn man dann auch noch die hiesige Legende erfährt, will man nichts wie raus, um dieser Hölle so weit wie möglich zu entkommen. Aus gutem Grund nennt man sie den "Teufelsrachen", die Abgrundhöhle, deren Öffnung inmitten der Felsen der Trigrader Schlucht klafft. Wie ein Magnet zieht sie Abertausende Besucher an, die einen Blick in das Reich des Hades werfen wollen. Sie brauchen sich jedoch keine Sorgen machen, alle kommen gesund und munter wieder ans Tageslicht.

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Die Höhle war bereits den Thrakern bekannt, die diesen Teil der Rhodopen besiedelten. Sie glaubten, dass der imposante Abgrund, aus dessen Schlund Nebel und Dampf aufstiegen, in das Jenseits führt. Einer Legende nach soll Orpheus hier in das Totenreich hinabgestiegen sein, um seine Muse Eurydike zurück ins Leben zu holen. Gott Hades stellte ihm jedoch eine Bedingung - sich bis zum Verlassen seines Reiches nicht nach seiner Liebsten umzuschauen. An der Stelle des s.g. Dröhnenden Saales soll Orpheus die Schritte seiner Liebsten nicht mehr gehört und sich deshalb suchend nach seiner Eurydike umgedreht haben, die ihm so für immer verloren ging. Es vergingen Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende - der bodenlose Abgrund jedoch, der wie eine steinerne Wunde im Gebirge klafft, stand wie ein Fels in der Brandung und säte unter den Einheimischen Angst und Ehrfurcht.

Unter den osmanischen Fremdherrschern wurde die Höhle "Furchtbare Richterin" genannt, in deren Schlund Diebe und Mörder ohne Gericht und Urteil geworfen wurden. Bis 1961 wagte es niemand, einen Blick in ihren dunklen Rachen zu werfen. Dann kamen drei wagemutige Alpinisten aus Sofia und stiegen erstmals in die Höhle hinab. Zum Vorschein kam ein 60 m tiefer Abgrund, in den sich der größte unterirdische Wasserfall der Balkanhalbinsel ergießt. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei um den Trigrader Fluss, der aus dem benachbarten Griechenland kommt, durch das Dorf Trigrad fließt und sich mit gewaltigem Getöse in den Teufelsrachen ergießt.

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"Das Gute dabei ist, dass alle drei Alpinisten ihr Abenteuer überlebten, was für ihre jungen Kollegen aus Warna nicht zutrifft" erzählt uns Höhlenführer Mitscho Solakow. Und berichtet uns weiter, wie Anfang der 1970er-Jahre die 21-jährige Siana und der 27-jährige Ewstati den bisher einzigen Versuch unternahmen, den s.g. Siphon zu erkunden, wo die reißenden Wasser scheinbar in den Schoß der Erde verschlungen werden. Die Taucher tauchen ab und kehren nie mehr lebend an die Oberfläche zurück. Niemand kann den unterirdischen Weg des Wassers auch nur im geringsten erahnen. Forscher vermuten hier ein riesiges Wasserlabyrinth, das alles, was der Fluss mit sich führt, verschlingt. Man hat bereits Versuche unternommen, die Wasserströmungen mit gefärbtem Wasser zu verfolgen. Allerdings kommt dieses erst nach zwei Stunden wieder an die Oberfläche. "Welchen Weg das Wasser in der Zwischenzeit nimmt und was es dabei sonst noch so anstellt, vermag niemand zu sagen", erzählt uns unser Höhlenführer und führt uns in den 150 Meter langen, natürlich angelegten Tunnel, der uns in den s.g. Dröhnenden Saal bringt. "Das ist der größte touristisch erschlossene unterirdische Höhlensaal in Bulgarien, in dem die gesamte Alexander-Newski-Kathedrale Platz hat", erzählt Mitscho Solakow.

Weiter erfahren wir, dass sich im unterirdischen Fluss Forellen tummeln, die aufgrund ihres Daseins in der Dunkelheit mutiert sind. Der gesamte Fisch ist mit weißen Flecken überzogen, einige betagtere und "würdevolle" Exemplare weisen ein verkümmertes Sehvermögen auf. Gleichzeitig erblicken wir am Eingang der Höhle riesige schwarze Flecke. "Hier hat sich eine ganze Fledermauskolonie aus der Umgebung versammelt. Diese über 35.000 Exemplare überwintern in der Höhle", erklärt Mitscho Solakow weiter. Seiner Ansicht nach gibt es keinen Zweifel, dass namentlich der Teufelsrachen das mythische Reich des Hades ist. Beweise dafür seien die von der Natur geschaffenen Abbilder von Orpheus und Eurydike als auch ganzer Plejaden mythischer Helden:

"Die Helden dieser Legende sind zu Stein erstarrt", erzählt der Höhlenführer Mitscho Solakow. "Zu erkennen sind der Fährmann Charon und Sisyphos mit seiner schweren Last. Der Legende nach soll Sisyphos beim Gesang des Orpheus eingehalten und gelauscht haben. Auch werden wir den Höllenhund Kerberos sehen, der den Eingang zur Unterwelt bewacht. Wir werden zum s.g. Orpheus-Wasser gehen, wo Orpheus seine Liebste beweint hat und wie es in der Legende heißt `Und aus seinen Tränen wurde ein Bach, in dem die Seelen der Toten ihren Durst stillten.` Dieser kleine Bach befindet sich in der Höhle. Er ist zu einer Kultstätte geworden, an der Ikonen aufgestellt sind. Jeder taucht die Hand ins Wasser, wäscht sein Gesicht, mancher trinkt einen Schluck, andere wiederum werfen eine Münze hinein und wünschen sich etwas. Bisher hat sich niemand über unerfüllte Wünsche beschwert", scherzt Mitscho Solakow.

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Eine Überraschung für die Besucher sind die Reliefs in der Höhle. Bereits am Eingang begrüßt einen ein in Stein gemeißelter Teufelskopf, im Dröhnenden Saal erschreckt einen die Figur eines thrakischen Kriegers in ganzer Größe. Um dem Abgrund zu entkommen, muss man eine steile Metalltreppe mit 301 rutschigen Stufen erklimmen, die entlang der wilden Wasser des Wasserfalls zum natürlichen Eingang der Höhle führt. Ein Erlebnis, das man mit Sicherheit nicht so schnell vergisst.

Übersetzung: Christine Christov
Fotos: Weneta Nikolowa



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