Am Donnerstag bestimmte das Parlament der Ukraine die Zusammensetzung der neuen Regierung, die vom proeuropäisch gesinnten Arsenij Jazenjuk geleitet werden soll. Er ist Vorsitzender der Vaterlandspartei der Ex-Premierin Julija Tymoschenko und war in der nahen Vergangenheit Wirtschafs- und Außenminister. Der untergetauchte Staatspräsident Wiktor Janukowytsch verlautbarte in einer Erklärung für die ITAR-TASS, dass er weiterhin das legitime Staatsoberhaupt des Landes sei im Gegensatz zu den Entscheidungen des Parlaments. Zwischenzeitlich sind aber die Spannungen gewachsen, denn in der Ukraine leben auch Russen, die mit der Wende in der Politik Kiews nicht einverstanden sind. Die siegreiche Opposition versucht ihrerseits ihre neue Stellung zu festigen. Die Lage kommentiert Prof. Nina Djulgerowa, Expertin zu Fragen der Geschichte und der internationalen Beziehungen:
„Wir haben momentan zwei Seiten, von der jede behauptet, die legitime zu sein – nun wird es einen langen Streit geben, bis nicht vorgezogene Präsidentschaftswahlen durchgeführt werden“, meint Prof. Djulgerowa. „Auf der Krim wehen mittlerweile russische Fahnen und es taucht die berechtigte Frage auf, ob nicht erneut eine Wende bevorsteht. Die Dinge sind sehr dynamisch, ich bin aber weiterhin der Meinung, dass den globalen und regionalen Kräften nur an einer ungeteilten Ukraine gelegen ist. Falls das Land eine Spaltung erfahren sollte, wird sich mit Ausnahme Russlands natürlich, keiner dafür interessieren. Zwei Drittel des Landes sind russisch dominiert und könnten dann der Russischen Föderation angegliedert werden. Die Krim und die Ost-Ukraine sind aber der wirtschaftliche und industrielle Motor des Landes. Und so hat sich u.a. auch der polnische Premierminister Donald Tusk entschieden gegen eine Teilung der Ukraine ausgesprochen. Polen will also keineswegs den von ihr seit langer Zeit beeinflussten Westteil der Ukraine, ganz einfach, weil er arm ist. Die Lage in der Ukraine könnte sich extrem zuspitzen.“
Die Europäische Kommission, wie auch alle anderen internationalen Organisationen, pochen darauf, dass sie als offizielle Macht in der Ukraine das dortige Parlament und den von ihm bestimmten Staatspräsidenten betrachten. Nunmehr dreht sich die Frage darum, inwieweit dem Land finanziell geholfen werden kann, denn die EU allein kann unmöglich den benötigten Umfang der Summe bereitstellen. Der Internationale Währungsfonds wird also wohl oder übel einspringen müssen. Auch die USA sollen ihren Teil beisteuern. Und dennoch bleiben viele Fragen, gerade in Verbindung mit der Finanzierung offen.
„Ich stelle mir ernsthaft die Frage, welcher EU-Wähler sich damit einverstanden erklären wird, dass Milliarden in einen Staat gesteckt werden sollen, der nicht einmal Mitglied der Europäischen Union ist“, sagt weiter Prof. Nina Djulgerowa. „Wie sollte man Menschen oder Institutionen Geld geben, wenn sie in keiner Weise über die Art und Weise des Einsatzes der Mittel garantieren können. Die EU wird sich also zurückhalten, zumal Wahlen vor der Tür stehen. Die Diskussionen darüber werden wohl kaum reale Vorschläge und entsprechende Umsetzungsvarianten enthalten, die der Ukraine ernsthaft helfen können, dem politischen und wirtschaftlichen Kollaps zu entgehen“, meinte abschließend Prof. Nina Djulgerowa.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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