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Die EU und ihr strategieloses Denken

| aktualisiert am 15.04.14 um 18:46 БНР Новини
Foto: EPA/BGNES

Ich will es direkt sagen – als die EU in die geopolitischen Kontroversen mit Russland hineingezogen wurde, wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte.

Das EU-Modell ist darauf abgestimmt, die politischen Leidenschaften zu dämpfen und die Aufmerksamkeit auf die Wirtschaft, die Bürokratie und das russische „Anti-Homosexuellen-Gesetz“ zu lenken. Einer der derzeit gängigsten Scherze in Brüssel lautet: „Früher schossen wir aufeinander, heute streiten wir uns um die Fischfangquoten“.

Sobald es jedoch um die Ukraine geht, ging das Problem mit der Ausarbeitung eines strategischen Denkens „den Bach runter“. Polen und die baltischen Republiken haben die Ukraine stets zu einer EU-Mitgliedschaft geschoben, während Frankreich eher skeptisch gestimmt ist. Angesichts all dieser Meinungsverschiedenheiten erwies sich die beste Herangehensweise die technokratische. „Technocracy Incorporated“ ist eine vorherrschende Gruppe, die als soziale Bewegung in den 30er Jahren populär wurde und bis heute noch aktiv ist. Sie bezeichnet sich selbst als eine Bildungs- und Forschungseinrichtung und unterstützt das technologische Design Nordamerikas.

Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, dass uns die heutige Krise zur Ausarbeitung einer strategischen Herangehensweise zur Ukraine führen wird. Das Problem besteht darin, dass sich die Europäische Union hinsichtlich der Sanktionen uneins ist, die verhängt werden sollen. Die Polen und die baltischen Staaten halten an der harten Linie fest, die Briten hingegen sind auf Gesprächsebene und es ist noch nicht abzusehen, was für Verluste die „City“ hinnehmen muss. Deutschland ist gespaltener Meinung. Merkel beharrt auf harte Sanktionen, während sich einige SPD-Mitglieder für eine Annäherung an Russland aussprechen. Bulgarien, Ungarn, die Slowakei und Griechenland gelten als prorussisch eingestellte Länder, besonders jetzt, da wir uns vor eine Energiekatastrophe gestellt sehen.

Aus diesem Anlass schrieb Wladimir Putin einen Brief an die Staatschefs von 18 hauptsächlich europäische Staaten – Deutschland, Italien, Frankreich, Griechenland, Österreich, Moldawien, Rumänien, Mazedonien, Tschechien, Polen, Serbien, Türkei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Bulgarien, Slowakei und Bosnien und Herzegowina – die Länder nämlich, die Russland mit Gas beliefert. Ihnen allen droht wegen der Ukraine und dem Unwillen der EU, ein konstruktives Verhalten in ihrer Strategie gegenüber Russland an den Tag zu legen, der Gasstop. Es ist eine überaus trotzige Haltung – keine Verhandlungen und nur Sanktionen, die Russland und somit auch die Ukraine jeden Augenblick zu Fall bringen sollen. Und gerade darum geht es in den Brief von Wladimir Putin.

Der Ausschluss der russischen Delegation von der Arbeit der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ist eher eine Sauerei, als eine konstruktive Herangehensweise. Die europäischen Abgeordneten wollen nicht hinter das Problem kommen und sind nicht gewillt, die Argumente der russischen Seite zu vernehmen. Wichtiger sei, sie wegen  der Krim zu bestrafen und ihr den Zusammenbruch der ukrainischen Wirtschaft in die Schuhe zu schieben.

Der russische Präsident listet in seinem Brief detaillierte Wirtschaftsberechnungen auf, aus denen klar hervorgeht, dass nach der Unterzeichnung des Gasvertrages mit Kiew 2009 „Moskau nie das jeweils vereinbarte Liefervolumen für die Ukraine, die Transitbeförderung nach Europa oder die Preisobergrenzen verletzt habe. Außerdem habe Russland wegen verschiedener Ermäßigung, Kredite und Vorzüge in den letzten vier Jahren rund 35,4 Milliarden Dollar in die ukrainische Wirtschaft investiert.“ Ganz zu schweigen von dem befristeten Darlehn von 3 Milliarden Dollar Ende 2013.

Es schockt uns vielleicht und wir könnten Moskau und Putin vorwerfen, dass sie nicht nur die Ukraine, sondern auch ganz Europa „in die Knie zwingen“ wollen, doch den EU-Spitzen bleibt kein anderer konstruktiver Ausweg, als die Rhetorik fallen zu lassen und sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Andernfalls wartet auf uns eine neue „Eiszeit“ in der Wirtschaft und dem Energiewesen Europas, in dem Bulgarien als kleiner Teil präsent ist.

Übersetzung: Wladimir Wladimirow 




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