Zum dritten Mal gab es in Bulgarien in der vergangenen Woche die Europawahl. Die Bulgaren schickten ins Europäische Parlament nur Vertreter von pro-europäischen Parteien. Aber sie sandten auch eine Warnung an die Europäische Union – die Wahlbeteiligung lag knapp über 34 %. Eine Reihe Kommentatoren deuten das als Zeichen der Enttäuschung vom vereinten Europa nach der ursprünglichen Begeisterung beim EU-Beitritt vor acht Jahren.
Auch wenn man immer wieder behauptet, dass Europawahlen und nationale Parlamentswahlen zwei ganz andere Dinge sind, war Bulgarien keine Ausnahme von der Regel der anderen EU-Länder. Die Wähler wählten die 17 bulgarischen Europaabgeordneten, aber damit wollten sie auch die heimischen politischen Parteien für ihr Handeln zuhause belohnen oder bestraffen. Trotz aller Nuancen und Deutungen ist es klar, dass die Bulgaren die Sozialisten und ihr Kabinett Orescharski abstrafften, das in Koalition mit der Türkenpartei Bewegung für Rechte und Freiheiten und mit der Duldung durch die nationalistische Partei Ataka vor einem knappen Jahr geschaffen wurde. Und sie gaben der konservativen GERB-Partei und ihren charismatischen Führer Bojko Borissow eine neue Chance. Für die Bulgarische Sozialistische Partei war es eine weitere Niederlage und für GERB – ein weiterer Sieg.
Die Abstimmung erfolgte vor dem Hintergrund der latenten politischen Instabilität, des wirtschaftlichen Stillstandes und der wachsenden Unzufriedenheit in Bulgarien. Die Orescharski-Regierung konnte entgegen seiner Versprechen der Korruption, dem Verbrechen und der Willkür der Monopole nicht Einhalt gebieten. Vor diesem Hintergrund kamen schwere Zeiten für den Vorsitzenden der Bulgarischen sozialistischen Partei Sergej Stanischew. Ein großer Teil der Wählerschaft seiner Partei sind Russland freundlich eingestellt. Sie strafften ihn, indem sie nicht für die Sozialisten wählen gingen, wegen der Unterstützung der sozialistischen Partei und der Regierung für die EU-Sanktionen gegen Russland. Die Bulgarische sozialistische Partei hat sich außerdem sehr weit vom Sozialismus entfernt und ist zu einem Interessenverein mit Sprecher Sergej Stanischew geworden. Das ist ein weiterer Grund für viele Bulgaren mit sozialistischen Überzeugungen nicht in die Wahllokale zu gehen.
Sergej Stanischew erklärte den Bulgaren nach der Wahl naiv und kindisch, dass die Bulgarische sozialistische Partei die Wahlen nicht verloren habe, weil die Summe der vier Mandate der Sozialisten und der vier Mandate ihres Koalitionspartners Bewegung für Rechte und Freiheiten acht europäische Mandate macht, was mehr als die sechst Mandate von GERB ist. Das sagte ursprünglich der Vorsitzende der Bewegung für Rechte und Freiheiten Lütfi Mestan. Später änderte er seine Haltung und begann sich nach neuen Partnern nach den nach seiner Meinung unausweichlichen vorgezogenen Wahlen umzuschauen.
Der eindeutige Sieg der GERB-Partei und die Niederlage ihres Hauptrivalen bei den Europawahl lässt einen heißen politischen Sommer erwarten. Das Streben der GERB-Partei so schnell wie möglich an die Macht zu kommen und der Unwillen der Bulgarischen Sozialistischen Partei und ihrer Verbündeten sie freiwillig abzugeben, lässt für die nächsten Wochen und Monate Spannungen im Parlament und bei einigen politischen Parteien sowie eine neue Welle von Massenprotesten auf der Strasse erwarten. Unter den Sozialisten sind inzwischen Forderungen nach einem kollektiven Rücktritt der Parteiführung mit Sergej Stanischew an der Spitze zu hören. Andererseits wird die Abstimmung am Freitag zum von GERB eingebrachten Misstrauensantrag wegen der Energiepolitik kaum den Regierungschef Plamen Orescharski stürzen. Der politische Sommer in Bulgarien, dem ärmsten Land der Europäischen Union, wird wirklich heiß sein.
Übersetzung: Vladimir Daskalov
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