Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Analytischer Blick auf das Profil und die Prioritäten der Übergangsregierung

БНР Новини
Parwan Simeonow (links) und Daniel Smilow
Foto: BGNES

Die Rückgewinnung des Vertrauens in die Institutionen, gestützt auf Transparenz und Moral, ist der erforderliche erste Schritt zur Überwindung der schwierigen Lage, in der sich unser Land befindet. So heißt es in den Prioritäten der Übergangsregierung unter Premier Prof. Georgi Blisnaschki. Das von Staatspräsident Rossen Plewneliew eingesetzte Kabinett wird den für das Land unaufschiebbaren Reformen einen Impuls verleihen. Auch soll der Dialog mit den europäischen Partnern zur Verwaltung der Operationellen Programme in der laufenden und kommenden Programmperiode bis 2020 ausgebaut werden. Und Bulgarien wird aktiv an der Umsetzung seiner Engagements als NATO-Partner arbeiten. Die Prioritäten und Hauptaufgaben der Übergangsregierung sind in sechs Bereiche unterteilt, wobei die Durchführung der Parlamentswahlen zur 43. Volksversammlung ganz oben auf der Liste steht. Einen Großteil der Prioritäten machen Wirtschaftsmaßnahmen und Maßnahmen im Bereich der Herrschaft des Gesetzes, innere Ordnung sowie Sicherheit und Verteidigung aus. Ebenfalls auf der Liste stehen Engagements verbunden mit Sozial- und Gesundheitsfürsorge, Bildung, Kultur und Sport, transparenter Verwaltung und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.

"Die Übergangsregierung ist um Stabilität bemüht und wird Revisionen durchführen. Der Grund für letztere ist, dass die Bedingungen im Staate kompliziert sind und der Staat sich absichern muss", erklärte der Politologe Parwan Simeonow - Chef von Gallup International Bulgaria.

"Meiner Ansicht nach ebnen diese Leute den Weg für die nächste vermutlich Mitte-Rechts-Regierung", fährt Parwan Simeonow fort. "Aus diesem Grund sind einige der von ihnen formulierten Aufgaben mit der Hoffnung verbunden, dass die nächste Regierung diese fortsetzen wird, möglicherweise auch mit einigen Ministern der Übergangsregierung. Das Kabinett muss sich Aufgaben zuwenden, die für eine Übergangsregierung untypisch sind - dem Abkommen mit der EU über die Fördermittel, der Ausarbeitung des Haushaltsplans für das kommende Jahr, der Nominierung des bulgarischen EU-Kommissars sowie ersten Aktivitäten zum Anschluss an den Einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus."

"Mir persönlich fallen die vier Vizepremiers auf. Sie stehen für die von Staatspräsident Rossen Plewneliew als wichtig erachteten Prioritäten", fügt der Politologe und Programmdirektor des Zentrums für liberale Strategien Daniel Smilow hinzu, der zudem an der Sofioter Universität "Hl. Kliment von Ohrid" unterrichtet. "Und zwar handelt es sich dabei um den Abruf der europäischen Fördermittel, um den Rechtsstaat mit Minister Hristo Iwanow - ein angesehener Experte im Bereich Justizreform. Und um die Modernisierung des Landes sowie um regionale Entwicklung. Auf diese Weise versucht der Staatspräsident die Bereiche zu umreißen, die für ihn Vorrang haben. Auch will er der nächsten Regierung und dem nächsten Parlament damit eine Botschaft senden. Die Übergangsregierung hat zwei-drei Monate Zeit, d.h. hier kann es nicht um eine politische Kehrtwendung gehen. Ihre Aufgaben sind beschränkt. Eine Aufgabe ist es, sich ein reelles Bild über die Lage in ausgewählten Verwaltungsbereiche zu verschaffen. Meistens hinterlassen die Regierung ein weniger rosiges Erbe als zuvor verkündet."

"Das ehrgeizige Programm der Übergangsregierung ergibt sich aus zwei sehr wichtigen Umständen. Erstens - der gewachsene politische Ehrgeiz und die wachsende Zuversicht von Staatspräsident Rossen Plewneliew. Und zweitens - versucht dieses Kabinett seine Legitimität aus der Protestbewegung zu schöpfen. Emblematische Protestfiguren waren der Premier Prof. Georgi Blisnaschki, Justizminister Hristo Iwanow und Kulturminister Martin Iwanow", ist Parwan Simeonow überzeugt.

"Mit Sicherheit hat sich auch ein Großteil der restlichen Minister direkt oder indirekt am Protest beteiligt", fügt Parwan Simeonow hinzu. "Die Tatsache, dass der Protest an die Macht kommt, wie einige Medien passend scherzen, ist einer der Faktoren, die zum ehrgeizigen Hall dieses Kabinetts beitragen. Das lässt mich vermuten, dass Staatspräsident Rossen Plewneliew und Premier Blisnaschki ihre politische Karriere fortsetzen werden. Letzterer hat ein markantes politisches und interessantes Profil, da er im linken Spektrum steht. Dort gibt es viel freien Raum für eine `moralische Linke` und eine `europäische Linke`."

"Ob das eine Regierung des Protests ist? Diese Leute wurden nicht ernannt, weil sie an den Protesten teilgenommen haben", ist der Standpunkt von Daniel Smilow. "Jeder von ihnen kann auf eine solide Expertenbiografie verweisen. Angefangen von Prof. Blisnaschki bis hin zu Martin Iwanow, der Chef des Staatsarchivs war und zu den talentierten Nachwuchshistorikern zählt. Und was wäre, wenn kein einziger Vertreter der Protestbewegung in der Regierung präsent wäre? Alle schwärmen davon, dass die Zivilgesellschaft erwacht ist und dass es nunmehr ein zusätzliches Korrektiv für die Ereignisse in der Politiklandschaft gibt. Das hätte bedeutet, dass ein jeder Experte, der sich an dieser Bewegung beteiligt hat, von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen worden wäre. Der Staatspräsident hat damit klar seinen Standpunkt zu den Ereignissen im letzten Jahr zum Ausdruck gebracht, wobei ich an seiner Bewertung für diese Episode aus der bulgarischen Geschichte nicht im Geringsten zweifele."

Übersetzung: Christine Christov



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Der Wahlkampf zu den Europawahlen in Bulgarien im Schatten einer weiteren vorgezogenen Parlamentswahl

Bulgarien wählt am Sonntag, den 9. Juni, das 50. Parlament des Landes. Es sind die sechsten vorgezogenen Parlamentswahlen innerhalb von zweieinhalb Jahren. Dieses Mal fallen sie mit der Wahl des neuen Europäischen Parlaments zusammen, für das Bulgarien..

veröffentlicht am 06.06.24 um 12:10

Blickpunkt Balkan

Griechenland identifiziert 83 Jahre später 18 NS-Opfer Achtzehn Zivilisten, die während des Zweiten Weltkriegs auf der griechischen Insel Kreta hingerichtet wurden, konnten 83 Jahre später durch DNA-Analysen im Labor für Paläogenomik und..

veröffentlicht am 31.05.24 um 12:48
Erzbischof Stefan

Blickpunkt Balkan

Die mazedonisch-orthodoxe Kirche steckt im Streit um den Namen Mazedonien und die Erzdiözese Ochrid fest Die mazedonisch-orthodoxe Kirche hat sich in den Streit um den Namen „Mazedonien“ eingeschaltet. Das Oberhaupt der Kirche, Erzbischof Stefan,..

veröffentlicht am 23.05.24 um 13:22