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1951: Die Gründung des Ensembles „Philip Kutew“

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Foto: philipkoutev.com

Im Jahr 1951 wurde das Nationale Ensemble für Volkslieder- und Tänze „Philip Kutew“ gegründet. Es ist eines der musikalischen Symbole unseres Landes, das überall auf der Welt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinzureißen versteht. Im Tonarchiv des Bulgarischen Nationalen Rundfunks sind die Erinnerungen seines Gründers, des Komponisten Philip Kutew erhalten:

1951 gab es einen staatlichen Beschlussüber die Gründung eines Folkloreensembles in Bulgarien. Anlass war der Pjatnitzki-Chor, dessen Besuch in Bulgarien 1949 tiefe Spuren hinterlassen hatte. Man fragte sich, warum sollten wir auch eine ähnliche Formation nicht haben, angesichts unserer reichen Folklore. Die Verwirklichung dieser Idee und die Organisation wurde mir übertragen. Es war nicht leicht. Ich beschloss, die talentiertesten Sänger, Tänzer und Instrumentalisten aus allen Folkloreregionen zusammenzubringen. Die wichtigste Aufgabe für mich war, in welche Richtung ich das Ensemble führen sollte. Die ersten Teilnehmer waren nicht qualifiziert. Ich hatte ganz bewusst die urwüchsigen Talente vorgezogen, die unmittelbar und authentisch sind. Ich wählte Lieder mit sinnvollen Texten, schönen Melodien und reicher Metrorhythmik verschiedenen Regionen Bulgariens aus. Wir entnahmen die Volkskunst aus dem Museum und gaben ihr ein neues Leben. Mein strategisches Ziel bestand darin, nachdem ich das Ensemble aufgebaut habe, ein Netz von ähnlichen Folkloreensembles im ganzen Land zu schaffen. Zum Glück geschah das ohne einen Befehl „von oben“. Aus Dörfern und Städten kamen zu uns Menschen, die fragten, wie sie ebenfalls Volkschöre und Orchester organisieren können. Heute gibt es Hunderte von ihnen und sie vollbringen eine sehr ehrenvolle Sache – sie suchen, bewahren und bearbeiten die Folklore ihrer Region. Sie kommen dann zu Volksfesten zusammen und singen und tanzen dort so, wie sie es von ihren Müttern, Vätern und Großeltern gelernt haben. Wir unterstützen diese Volksfeste, weil sie die authentische Folklore zeigen, von der wir immer lernen werden. Sie ist unerschöpflich und wird uns immer wieder neue Ideen bescheren.

Foto: philipkoutev.com

An den Anfang erinnert sich auch Maria Kutewa, die Frau des bekannten Komponisten und seine langjährige Mitstreiterin. Sie ist Folkloristin und Philologin schon seit Gründung des Ensembles. Aus ihren Erinnerungen erfahren wir sehr wichtige Details über die Zeit und die kulturelle Situation, in der das Ensemble hineingeboren wurde.

Am Anfang war es sehr schwer“, berichtet sie. „Philip Kutew war zu jener Zeit noch Leiter der Musikabteilung des Zentralen Hauses der Volksarmee. Er versuchte seine Kollegen von der Notwendigkeit eines Folkloreensembles für Bulgarien zu überzeugen. Damals gab es bereits Stücke auf Folkloregrundlage. Uns erfreute das Tanzdrama „Nestinarka“ von Marin Goleminow. Aber das war eine Musik, die mit akademischen Stillmitteln geschrieben war. Den größten Enthusiasmus legten an den Tag die Komponisten Petko Stajnow und Marin Goleminow. Ein Mensch, der außerordentlich kompetent und sehr vom Wert des neuen Unterfangens überzeugt war und uns sehr unterstütze, nachdem das Ensemble geschaffen wurde, war der Komponist Dimitar Nenow. Allmählich konnte mein Mann die staatlichen Institutionen überzeugen, von denen alles abhängte. Er übernahm den musikalischen Teil. Auf seine Empfehlung hin wurde Margarita Dikowa Leiterin der Tanztruppe und Iwan Kawaldschiew übernahm das Orchester. Für die Kostüme war Newa Tussusowa zuständig. Das war ein Glück für das Ensemble, denn sie verstand es den Stil beizubehalten, aber auch die Gesetze der Bühne zu berücksichtigen. Manchmal werden die interessantesten Eigenschaften der Folklorestücke verdunkelt, wenn sie automatisch auf die Bühne gebracht werden. Die ersten Lieder schuf Philip Kutew nur um den Sängerinnen beizubringen, wie man im Chor singen soll. Es waren stimmgewaltige Mädchen ohne jede musikalische Bildung. Sie waren sehr glücklich, ihre eigenen Lieder in der Darbietung des Ensembles zu hören.“




Übersetzung: Vladimir Daskalov



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