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1953: Alexander Schendow und der Personenkult

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Fotocollage: Wergil Mitew

Im Jahr 1953 starb der hervorragende Graphiker und Maler, einer der „Väter“ der bulgarischen Karikatur, Autor von zahlreichen satyrischen Geschichten und Publizistik Alexander Schendow an Krebs.

Schendow hatte schon in früher Jugend kommunistische Überzeugungen. Als Schüler veröffentlichte er 1917 seine erste Karikatur. Seine Ausbildung als Graphiker erhielt er in Bulgarien, Deutschland und der Sowjetunion. Aus Moskau zurückgekehrt, beteiligte er sich rege am künstlerischen und öffentlichen Leben in Bulgarien. Er zeichnete, schrieb und veröffentlichte viel in den Medien.

Alexander Schendow war aktiv an der Gründung und Festigung der Gesellschaft der neuen Maler, der Vereinigung der Schriftsteller für Arbeit und Kampf und der Gesellschaft der Freunde der Sowjetunion beteiligt. Er kämpfte aktiv für engagierte und realistische Kunst. Alexander Schendow war erster Sekretär der Vereinigung der Schriftsteller für Arbeit und Kampf, der Kommunisten, Anarchisten, Sozialdemokraten, Anhänger der Bauernpartei und parteilose Schriftsteller angehörten. Die Vereinigung veranstaltete Lesungen und kämpfte gegen die Zensur, die Polizeiwillkür, gegen die Vorbereitung eines neuen Krieges. Die Mitglieder der Vereinigung setzten sich für Georgi Dimitrow ein, dem die Nazi-Führung 1933 im Leipziger Prozess erfolglos die Schuld für den Reichstagsbrand zuschieben wollte.

Nach dem Tod des ersten Regierungschefs des sozialistischen Bulgarien Georgi Dimitrow begann man in Zeiten des finstersten Stalinismus einen Personenkult um den neuen Parteiführer Walko Tscherwenkow zu betreiben. Alexander Schendow und Walko Tscherwenkow kannten sich seit früher Jugend, als sie die gleiche Schule in Sofia besuchten. Sie waren auch Freude des proletarischen Dichters Hristo Smirnenski, der jung an der in Bulgarien weit verbreiteten Armenkrankheit Tuberkulose starb. Alexander Schendow und Walko Tscherwenkow trugen seinen Sarg bei seinem Begräbnis.

Nun, viele Jahre später kam es zu einem ernsten Zerwürfnis zwischen beiden aus Anlass der Kulturpolitik von Partei und Staat. Alexander Schendow formulierte seine Kritik in einem Brief an Walko Tscherwenkow, der inzwischen Generalsekretär der Kommunistischen Partei geworden war. Er warf der Parteiführung Gängelung der Künstler vor, die man einer Kasernendisziplin und willkürlichen Zensur unterwirft. Die berechtigte und offiziell von der Parteiführung geförderte Kritik der Parteimitglieder war in Wirklichkeit nicht erwünscht. Der hervorragende und verdienstvolle Künstler Alexander Schendow wurde öffentlich gemaßregelt. Viele wagten es nicht, ihm in dieser schweren Lage beizustehen. Einer von ihnen, sein Kollege Professor Alexander Poplilow ist unser heutiger Zeitzeuge, dessen Erinnerungen in unserem Tonarchiv erhalten sind.

Er war eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Als böse Emotionen in unserem Künstlerverband aufkamen und sich gegen Schendow richteten, habe ich sehr gelitten, weil er ein Fels, ein weiser Denker war. Und ein Talent. Unsere Leute verfolgten ihn, weil er die Wahrheit sprach und vor niemanden Halt machte – selbst nicht vor den höchsten Parteifunktionären Todor Schiwkow oder Walko Tscherwenkow. Wenn man würdig leben möchte, muss man würdig leben. Und so wurden wir zu Citoyens. Es gab eine Gruppe junger Künstler, die sich hinter Schendow stellten, weil er für Edelmut, Wahrheit, das wahre Maß in der Kunst stand. Er war gegen die Konjunktur, die Banalisierung der Kunst für Geld. Er wurde nicht reich, aber er errichtete für sich ein ideelles Denkmal nicht von Menschenhand, wie Puschkin sagte, und ich bin glücklich, dass ich an seiner Seite war, als viele unserer zweifelhaften Mitglieder des Malerverbandes ihn schmähten. Schendow war nicht zu übersehen, er war ein bemerkenswerter Mann.“

Alexander Schendow starb 1953, im gleichen Jahr, wie Stalin. Als man in den sozialistischen Ländern nach dem XX. Parteitag der KPdSU sich mit dem Stalinismus auseinanderzusetzen begann, wurde der bemerkenswerte und couragierte Künstler rehabilitiert. Die Vereinigung der bulgarischen Maler vergibt einen Preis für Plakat und angewandte Graphik auf seinen Namen und ihm wurden postum die Orden „9. September“ und „Kyrill und Method 3. Stufe“ verliehen.

Übersetzung und Redaktion: Vladimir Daskalov



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