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Bring mich zur Schule!

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„Ich habe immer davon geträumt, dass die Roma-Kinder in der Gesellschaft aufzusteigen beginnen“, sagt die Lehrerin Slatka
Foto: Rumjana Zwetkowa

Asja ist ein zauberhaftes 9järiges Mädchen und sie besucht die 4. Klasse. Sie geht gerne in die Schule und ihre Lieblingsfächer sind Mathematik und Englisch. Sie träumt eines Tages Zahnärztin zu werden und sagte, dass sie keine Angst habe auf den Zahnarztstuhl zu sitzen. Mit ein wenig Verlegenheit, aber auch mit Freude zeigt sie wie glatt sie das Märchen vom linken Auge des Zaren, das sie gerade in der Schule durchgehen, erzählen kann. Was ist das besondere an diesem Fall? Das Besondere ist, dass Asja ein Roma-Kind ist.

Es ist kein Geheimnis, dass die Kinder dieser ethnischen Gemeinschaft selten Träume haben, die sie über die Grenzen ihres unerfreulichen Lebens führen. Nach den unterschiedlichen Statistiken, schließen über 75% der Roma-Kinder die Schule nicht ab. Deswegen ist Asja eher eine Ausnahme. Sie besucht zusammen mit elf weiteren Kindern das Schularbeitenzimmer im Sofioter Roma-Viertel „Fakulteta“, wo sie ihre Hausarbeiten machen und sich auf die nächsten Schulstunden vorbereiten. Dieses Schularbeitenzimmer wurde auf Vorschlag der örtlichen Roma-Führer von drei Enthusiasten geschaffen. Einer von ihnen ist der Anwalt Petromir Kantschew. Diese drei Menschen entwickelten das Projekt „Bring mich zur Schule“, das dem frühzeitigen Verlassen der Schule durch Roma-Kinder entgegen wirken soll. Später wurde die Stiftung „Aufbau“ gegründet, die dieses Projekt unterstützen und entwickeln soll. Petromir Kantschew sagte über ihre Motive:

Wir alle Bulgaren beschweren uns über die Roma, dass sie Dreck machen, Verbrechen verüben, Pferdewagen durch die verstopfen Straßen fahren und bei den Wahlen ihre Stimmen verkaufen. Aber bevor wir uns beschweren, sollten wir daran denken, dass nicht der Staat, sondern wir als Menschen zu wenig für sie getan haben. D. h., bevor man protestiert, sollte man etwas getan haben. Ich denke, dass die Bildung der einzige Schlüssel dafür ist, dass sie ihre Lebensweise ändern und aus den schweren Lebensumständen herauskommen, in denen sie leben. Die Wirkung der Bildung ist natürlich sehr langsam, sie braucht Jahre. Aber wir sind uns darüber im klaren, dass falls wir 1990 nach der Wende, damit angefangen hätten, hätten wir im Ergebnis eine Roma-Intelligenz, d.h., Ärzte, Lehrer, nicht nur Musiker, worin sie wirklich gut sind. Wichtig ist es exzellente Menschen zu haben, die die Gemeinschaft in den Staatsorganen vertreten können. Deswegen haben wir beschlossen, nachdem wir das vor 20 Jahren nicht gemacht haben, jetzt damit zu beginnen, damit wir nach weiteren 20 Jahren nicht die gleichen Gewissensbisse haben. Wir begannen mit etwas kleinem, und das ist das Projekt „Bringe mich zur Schule“.

Das Projekt wird mit 5.000 Euro finanziert, die von der finnischen Kirche „Usi Pesola“ gestiftet wurden. Mit dem Geld werden zwei Lehrerinnen im Schularbeitenzimmer, sowie der Transport der Kinder von zuhause dorthin und zur Schule und zurück bezahlt. Die bulgarische Lebensmittelbank liefert Essen am Mittag und ein Nachmittagsfrühstück für die Kinder. „Das ist ein zusätzlicher Anreiz für die Eltern die Kinder in die Schule zu schicken, weil wir ihnen zwei Malzeiten abnehmen“, erläutert Petromir Kantschew. Das Schularbeitenzimmer selbst ist in einer Roma-Kirche im Viertel untergebracht.

Das schönste am Projekt ist, dass es von Roma für Roma ist, d.h., alles wird von ihnen selbst gemacht“, sagt er weiter. Die zwei Lehrerinnen gehören auch der Roma-Gemeinschaft an. Die eine von ihnen, Slatka ist 23 Jahre alt. Sie ist stolz darauf, die Fachschule für Bäcker und Zuckerbäcker absolviert zu haben. Sie träumt davon zu studieren und Pädiater zu werden. Sie ist seit drei Jahren verheiratet, hat aber noch keine Kinder, und das macht es ihr möglich sinch den Schülern im Schularbeitenzimmer zu widmen.

Ich habe immer davon geträumt, dass die Roma-Kinder in der Gesellschaft aufzusteigen beginnen und nicht wie jetzt – mit 12-13 zu heiraten, zwei-drei Kinder auf die Welt zu bringen, und Ende, das war’s“, sagt Slatka. „Ich möchte, dass unsere Kinder weiter lernen, möglicherweise studieren. Das ist wirklich sehr wichtig, heutzutage braucht selbst eine Putzfrau abgeschlossene Schulbildung. Und wenn sie keinen Abschluss haben, können sie nicht arbeiten.“

Petromir Kantschew berichtet, dass die Kinder, die das Schularbeitenzimmer besuchen, motiviert sind und lernen wollen. Das wird auch von den guten Ergebnissen bestätigt, die sie in dem Jahr erzielt haben, seitdem das Projekt läuft. Die 10järige Krassi besucht ebenfalls die Schularbeitenstube. Sie sagt, dass ihre Lieblingsfächer Literatur, Mathematik und Sport sind. Über das Schularbeitenzimmer sagt sie: „Es gefällt mir sehr und hier wird uns geholfen unsere Hausarbeiten zu machen. Ich habe sehr gute Noten in der Schule. Ich möchte Doktor werden und den Menschen helfen.“

Dank der Hilfe von freiwilligen Lehrern wird es ab dieses Jahr Ausbildung in englischer Sprache und Computer geben. Die größeren Schüler werden die Möglichkeit haben ein Handwerk zu erlernen. Petromir Kantschew hat den Ehrgeiz in Zukunft ein Projekt zur Unterstützung von Roma-Kindern zu entwickeln, die das Wagnis eingegangen sind an einer bulgarischen oder ausländischen Hochschule zu studieren.

Übersetzung und Redaktion: Vladimir Daskalov



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