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Slawtscho Binew – der bulgarische Medici

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Foto: BGNES

Er sieht sich, wie einer der Medici oder der Borgia. Denn stünden sie einst nicht hinter Michelangelo und Leonardo Da Vinci, wären die beiden höchstens Malermeister in Neapel geworden. Einen besseren Mäzen hätten sich die bulgarischen Kulturschaffenden nicht wünschen können. Denn er sei eindeutig der beste Mann für diesen Posten, wenn nicht in ganz Bulgarien, so mit Sicherheit im Parlament.

Gemeint ist der frisch gebackene Vorsitzende des Kultur- und Medienausschusses im Parlament. Slawtscho Binew, 49, geriet in dieser Woche in Erklärungsnot, als Hunderte Kulturschaffende an mehreren Tagen vor dem Parlament in Sofia gegen seine Wahl protestiert haben. Denn sie haben Binew in einem ganz anderen Rollenfach im Kopf, nämlich des Mafia-Undergrounds aus den frühen 1990er Jahren und des Nachtklubbesitzers, der 2013 versucht hat, das Gebäude des Staatsfernsehens zu stürmen, weil ihm die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Senders nicht gefällt. Gegen diese Figur laufen nun die Intellektuellen in Bulgarien Sturm und der Protest erinnert stark an die Protestwelle von Juni 2013, als das Parlament kleinheimlich den dubiosen Medienmogul Deljan Peewski zum Geheimdienstchef gewählt hatte. Was diese Protestbewegung bewirkt hat, wissen wir alle.

Wer ist dieser Slawtscho Binew, der die Öffentlichkeit in Bulgarien wieder spaltet? Ein Blick in Wikipedia reicht aus, um zu erfahren, dass er mit Kultur und Medien wenig am Hut hat. Der mehrfache Taekwondo-Landesmeister ist seit 1996 stellvertretender Vorsitzender des Bulgarischen Verbandes, seit 2003 Vorsitzender des Komitees für die soziale Unterstützung von Sportlern beim Bulgarischen Olympischen Komitee (BOK) und seit 2006 Vorsitzender der Begabtenstiftung des BOK. Der Name von Slawtscho Binew taucht auch im Zusammenhang mit zahlreichen Skandalen in der Untergrundwelt aus den ersten Nachwendejahren auf. Seit Jahren betreibt er zudem Nachtklubs, mittlerweile rund 40 an der Zahl, wo die Mächtigen der Unterwelt bis heute noch gern zu Gast sind. Die "Künstler", die dort auftreten, vertreten mehr oder weniger ein einziges Genre, das der Popfolkmusik, die mit ihren pöbelhaften Texten und einfachen Rhythmen alles andere als eine gehobene Kunst ist.

Zur sportlichen Laufbahn des Slawtscho Binew gesellte sich 2007 auch eine politische – bei den ersten Europawahlen in Bulgarien wurde er von der Liste der nationalistischen Partei Ataka als Abgeordneter ins Europaparlament gewählt. Als EU-Parlamentarier war der ehemalige Taekwondo-Meister Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und in der Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Mittelamerikas. Nachdem sich der Nationalist mit Ataka zerstritten hat, versuchte er, mit einer eigenen Formation in der Politik zu bleiben. Doch, dieser Versuch scheiterte und so kam Binew unter die Fittiche der erfolgreicheren nationalistischen Partei in Bulgarien, der Patriotischen Front, die aktuell die Mitte-Rechts-Regierung im Parlament unterstützt. Und so kam der skandalträchtige Politiker zu seinem neuen Posten als Vorsitzender des Kultur- und Medienausschusses.

Die Haushaltspolitik für Kultur und Medien, unter anderem auch für die öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio sowie für die amtliche Nachrichtenagentur BTA, liegt also nun in der Hand eines Nachtklubbesitzers. Diese Ohrfeige konnten Schriftsteller, Schauspieler, Regisseure, Maler, Komponisten und Journalisten nicht ohne weiteres hinnehmen. Und zogen auf die Straße. Denn Slawtscho Binew ist ein Sinnbild für jene neureiche Emporkömmlinge, die sich eingebildet haben, dank ihrer fraglichen Millionen nicht nur die neuen Adligen und Politiker zu sein, sondern auch noch die Mäzene der Kultur. Ist die Wahl eines Taekwondo-Meisters zum Überwacher von Kultur und Medien der lautstark gepriesene neue Führungsstil in der Republik? Gott bewahre! Diese zynische Wahl wiederholt Ereignisse von vor anderthalb Jahren, die wir als eine Wende zur neuen politischen Moral und als Geburtsstunde der Zivilgesellschaft gefeiert haben. Der Aufruhr ist groß. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio haben in einer gemeinsamen Erklärung ihre Unmut über diese Ernennung publik gemacht und wurden von zahlreichen Verbänden unterstützt. Der berühmte Theaterregisseur Alexander Morfow ist aus Protest vom Direktorposten des Nationaltheaters zurückgetreten. Weitere Rücktritte sollen folgen. Der im In- und Ausland erfolgreiche Regisseur setzte damit ein deutliches Zeichen. Ob Slawtscho Binew dieses Zeichen verstehen und gehen wird, wie Deljan Peewski im Juni 2013, können wir nur raten. Wichtig ist, dass der Protest nicht aufhört. Denn für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun.





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