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Ich kenne meine Rechte: Familie und Erbe

Foto: Archiv

Den meisten Bulgaren sind ihre Erbrechte unbekannt. Diejenigen, die bereits mit Erbangelegenheiten konfrontiert wurden, beschweren sich über die schwerfälligen, komplizierten und unverständlichen Verfahren, die von einigen auch als ungerecht bezeichnet werden. Rund jeder Zweite würde in Erbsachen die Hilfe eines Anwalts in Anspruch nehmen. Das Erbrecht ist per Gesetz geregelt, wobei gerade einmal 12% mittels Testament geerbt und nur 5% ein solches Dokument aufgesetzt haben. Das belegen die Ergebnisse einer Umfrage unter knapp 11.000 Personen auf der Homepage pravatami.bg.

Die Studie wurde von einem Team junger Anwälte im Rahmen des Projekts "Ich kenne meine Rechte" erstellt und in finanzieller Unterstützung der Stiftung "Amerika für Bulgarien" verwirklicht. Ihr Ziel ist es, die Rechtskultur des Bulgaren zu verbessern, indem verschiedene Rechte und Pflichten auf verständliche Weise erklärt werden. Auf der seit zwei Jahren bestehenden Homepage wurden bereits 300 Materialen veröffentlicht, die täglich von über 3.000 Personen gelesen werden. Die Ergebnisse der Umfrage wurden im Bericht "Familie und Erbe" zusammengefasst.

Was geht aus dem Bericht weiter hervor? Themen wie Vormundschaft sind unseren Landsleuten gänzlich unbekannt. Nach Ansicht von Georgi Darschanliew, einem Mitbegründer von pravatmi.bg, sei das gewissermaßen normal, da es sich dabei um ein spezifisches Fachgebiet handelt, das nur eine bestimmte Gruppe betrifft. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass vielen zudem das Recht auf Vaterschaftsurlaub unbekannt ist, was einen Großteil der Bevölkerung betrifft. 45% der befragten Männer haben keine Ahnung, dass ihnen bei der Geburt eines Kindes 15 Tage Vaterschaftsurlaub zustehen. Die Väter seien schlechter über ihre Elternrechte informiert als die Mütter, kommentieren die Autoren des Berichts. 90% der Frauen kennen ihre Rechte, Pflichten und Möglichkeiten, die sich aus den gesetzlichen Regelungen ergeben. Allerdings kennen sich die Bulgaren in Sachen Eheschließung und Scheidung aus. Gleiches gilt für die Besitzverhältnisse zwischen den Ehepartnern, obwohl der Ehevertrag nach wie vor ein Tabu-Thema ist. 69% der Befragten geben an, keinen Ehevertrag geschlossen zu haben. Was ist die Erklärung dafür?

"Viele setzen den Ehevertrag mit dem Ende der Leidenschaft in der Ehe gleich", kommentiert Georgi Darschanliew. "Hier teile ich die Ansicht des Gesetzgebers, dass der Ehevertrag eine Zusatzoption für die gesetzliche Reglung der Besitzverhältnisse ist. Der Ehevertrag muss notariell beglaubigt werden. Er ist eine Garantie, dass die Vermögensfragen künftig nicht unter die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes fallen, sondern auf eine für die Ehepartner annehmbare Weise geregelt sind. Dieses Instrument ist unter den Bulgaren noch weitgehend unbekannt. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass sich das in Zukunft ändern wird."

Ein weiteres heißes Thema ist häusliche Gewalt. Der Ergebnisse der Umfrage haben ergeben, dass 18% der Befragten mindestens einmal Opfer häuslicher Gewalt gewesen sind. Noch alarmierender ist jedoch die Tatsache, dass 17% eine Anzeige für zwecklos halten.

"Das heißt, sie vertrauen den Behörden nicht, was sich ändern muss", meint Georgi. "Diese Leute wissen, dass und wo sie Anzeige erstatten können, sagen sich jedoch, dass das nichts bringen wird. Unser Hauptziel ist es, den Menschen das Vertrauen zurückzugeben, dass sie Gerechtigkeit erlangen können, wenn sie sich der Rechtsmittel bedienen. Dafür haben die Römer diese Mittel ja auch geschaffen. Es heißt, das Recht ist die Kunst des Guten und der Gerechtigkeit. Seine Funktion muss es sein, die gesellschaftlichen Beziehungen zu regeln und in diesen Gerechtigkeit zu gewährleisten."

Übersetzung: Christine Christov



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