2014 war ein Wahljahr. Nachdem 2013 mit einem Regierungsrücktritt begonnen und mit Bürgerprotesten geendet hatte, verhieß das Jahr 2014 nichts Gutes. Die Wirtschaftskrise schwappte auf die Politik über und so begann das Jahr mit einer tiefen Verunsicherung für die Bulgaren.
In weniger als fünf Monaten waren die Bürger des Landes aufgefordert, zu den Wahlurnen zu gehen. Und während der Termin für die EU-Wahl am 25. Mai schon lange im Voraus feststand, konnte man über die vorgezogene nationale Parlamentswahl am 5. Oktober nur mutmaßen. Wie bei jeder Wahl gab es Sieger und Verlierer. Der große Verlierer 2014 ist die Bulgarische sozialistische Partei. Mitte des Jahres musste sie einsehen, dass sie nach der Wahlschlappe bei der Europawahl das Ruder im Land nicht mehr halten kann. Und die sozialistisch dominierte Regierung Orescharski trat zurück. 250.000 Wählerstimmen weniger bekamen die Sozialisten. Mit weniger Wählerstimmen musste sich aber auch die nun regierende bürgerliche GERB-Partei begnügen. Neben beiden großen Parteien sehen die kleinen Formationen als die Sieger der vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober aus. Mehr noch – die Wähler haben den Parteien eine denkbar schwierige Aufgabe gestellt und sie gezwungen, sich an einen Tisch zu setzen und nach Kompromissen zu suchen. Denn ins Parlament in Sofia zogen mit acht Parteien so viele Formationen ein, wie in der Nachwendegeschichte des Landes noch nie.
Drei Regierungen hatte Bulgarien in diesem Jahr. Das linksliberale Kabinett der Sozialisten mit der Türkenpartei DPS hielt sich 14 Monate im Amt. Nach 405 Tagen Bürgerprotesten gegen sein Kabinett trat Ministerpräsident trat Plamen Orescharski zurück. Zwei Drittel der Bevölkerung hatte kein Vertrauen mehr in die Regierung. Die Vertrauenskrise in die Politik war zu jenem Zeitpunkt generell sehr tief, und der logische Ausweg daraus waren Neuwahlen. Die bulgarische Verfassung sieht in solchen Fällen vor, dass eine Interimsregierung die Amtsgeschäfte bis zum Wahltermin führt. Und Prof. Blisnaschki schaffte es, eine gewisse Ruhe ins Land zu bringen. Nun hat Bulgarien eine Mitte-Rechts-Regierung unter der Federführung der bürgerlichen GERB-Partei des Ministerpräsidenten Bojko Borissow und mit Juniorpartner in der Koalitionsregierung den konservativen Reformblock. Damit erübrigen sich allerdings die Parteien der Regierungsmehrheit nicht – Arbeits- und Sozialminister ist Iwajlo Kalfin von der sozialdemokratischen ABW. Das Kabinett wird zudem von der umstrittenen Patriotischen Front ergänzt. Verständlich, dass ein solch kompliziertes Regierungsgebilde nur nach wochenlangen mühsamen Koalitionsgesprächen zu Stande kommen konnte.
Die Dezemberumfragen der Meinungsforscher haben ergeben, dass die Unterstützung für dieses Koalitionskabinett in etwa so hoch ist, wie für Regierungen aus der Vergangenheit, die ebenfalls in schwierigen Zeiten gebildet worden sind. Das Vertrauen liegt bei 26 Prozent und ist um ganze zehn Prozentpunkte im Vergleich zu November gestiegen. In den Wochen nach den vorgezogenen Parlamentswahlen am 5. Oktober registrierten die Soziologen auch eine gewisse Entspannung in der Bevölkerung und einen leichten optimistischen Trend. Doch, dies beobachtet man nach Wahlen immer. Jede neue Regierung startet gewöhnlich mit einem Vorschuss an Vertrauen. Die Menschen in Bulgarien sehnen sich nach Stabilisierung und lehnen tiefgreifende Veränderungen ab. In der Nachwendegeschichte Bulgariens gab es nur drei Regierungen, die über Monate ein großes Vertrauen genossen haben – das Kabinett der demokratischen Kräfte von Iwan Kostow 1997, die Regierung des Ex-Exilkönigs Sakskoburggotski 2001 und das erste Kabinett Borissow 2009.
Das Jahr wird auch mit einer Bankpleite in Erinnerung bleiben. Das viertgrößte Geldinstitut des Landes, die Korporative Handelsbank KTB, sorgte für große Sorge um die Stabilität des Bankensektors und um die Glaubwürdigkeit der Bankenaufsicht. Zugleich aber hat sich auch in der breiten Öffentlichkeit die Überzeugung durchgesetzt, dass die KTB-Pleite einen politischen Beigeschmack hat. Mehr noch – die meisten Bulgaren sind der felsenfesten Überzeugung, dass den Politikern alles erlaubt ist und sie immer wieder straffrei davonkommen. Die Politiker selbst haben aber im KTB-Debakel kalte Füße bekommen. Bei den Abstimmungen im Parlament kam es zu merkwürdigen Mehrheiten – die bürgerliche GERB mit dem eigentlichen Erzfeind DPS gegen den Reformblock und die Sozialisten. Aber man sollte sich an schwimmende Mehrheiten im Parlament gewöhnen, denn bei der komplizierten Zusammensetzung der Volksversammlung sind sie unausweichlich.
Übersetzung: Vessela Vladkova
Die Uneinigkeit schadet der Staatlichkeit. Die bulgarischen Wähler wollen Veränderungen, und es ist Aufgabe der Politiker, sie herbeizuführen - geplant, bewusst und mit Verstand. Wir leben in einer sehr dynamischen Zeit, wir leben in einer..
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