Im Alter von 79 Jahren, nur wenige Wochen vor seinem 80. Jubiläum, ist heute der erste demokratisch gewählte Präsident Bulgariens, Dr. Schelju Schelew überraschend verstorben. Erst kürzlich beteiligte er sich an den regulären Beratungen der Ex-Staatschefs Bulgariens und am vergangenen Sonntag war er Ehrengast der Feierlichkeiten zum 80. Jubiläum des Bulgarischen Nationalеn Rundfunks.
Der Philosoph und Dissident Dr. Schelju Schelew wurde 1965 aus politischen Gründen von der Bulgarischen kommunistischen Partei ausgeschlossen und aus der Hauptstadt Sofia verbannt. In seinem bedeutendsten Buch "Der Faschismus" setzte er 1982 ein Gleichzeichen zwischen der faschistischen und der kommunistischen Diktatur, was von der kommunistischen Zensur sofort erkannt wurde und zum Buchverbot führte. In Anlehnung an Gorbatschows Reformpolitik gründete Schelew 1988 den Klub für die Unterstützung der Transparenz und Perestrojka. Wenige Wochen, nachdem am 10. November 1989 der langjährige Staats- und Parteichef Bulgariens, Todor Schiwkow, vom Politbüro der KP gestürzt worden war, wurde Schelew Oppositionsführer der Union der demokratischen Kräfte, die sich aus zahlreichen Oppositionsparteien zusammensetzte. Die verfassungsgebende Volksversammlung wählte Schelew am 1. August 1990 zum ersten demokratisch legitimierten Staatspräsident Bulgariens. 1992 wurde er in der ersten Direktwahl nach der Wende in seinem Amt bestätigt. Schelew war bis zu seinem Tod Ehrenvorsitzender der Liberalen Partei Bulgariens und Präsident des von ihm ins Leben gerufenen Politischen Balkanklubs ehemaliger politischer Staats- und Regierungschefs aus Südosteuropa.
"In Bulgarien war die Wende im Herbst 1989 keine Volkserhebung", hat Schelju Schelew immer wieder betont. Diktator Todor Schiwkow ist am Tag nach dem Fall der Berliner Mauer in einem innerparteilichen Putsch gestürzt worden. Zu diesem Putsch kam es sowohl nach parteipolitischem Druck aus den Reihen des reformierten Flügels in der KP, als auch als Folge der politischen Prozesse in Osteuropa. Gleichwohl handelte es sich nur um einen symbolischen Schritt. Die KP wollte einfach zeigen, dass sie sich an die Spitze der Demokratisierungsbewegung gestellt habe, kommentierte Schelew in einem seiner letzten Interviews zum 25. Jahrestag des Mauerfalls.
Was den Übergang zur Demokratie betrifft, gab sich Schelew stets selbstkritisch. Die jungen und unerfahrenen Oppositionellen hätten viele Fehler gemacht. "Wir hätten den Diktator Schiwkow sofort vor Gericht bringen müssen. Seine Verurteilung gleich nach der Wende hätte den demokratischen Prozess in Bulgarien angekurbelt und die Transformationszeit hätte ganz anders verlaufen können, glaubte der frühere Dissident.
Möge er in Frieden ruhen!
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