Bulgarien weist im Bereich der Justiz bestimmte Fortschritte auf, doch diese Fortschritte reichen noch nicht aus. Das mangelnde Vertrauen der Öffentlichkeit und die Korruption bleiben noch die großen Probleme auf diesem Gebiet, heißt es im jüngsten Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission für Bulgarien. „In allen drei, von der Kommission unter Aufsicht gestellten Bereichen: Unabhängigkeit der Gerichte, Korruptionsbekämpfung und Kampf gegen das Organisierte Verbrechen – zeigt Bulgarien in den letzten anderthalb Jahren keinerlei Fortschritte“, sagte ihrerseits in einem Interview für Radio Bulgarien Iwanka Iwanowa – Programmdirektorin des Instituts „Open Society“ in Sofia.
„Wir dürfen uns nicht vom Ton des Fortschrittsberichts täuschen lassen, wichtig ist, was darin steht und wie der Vergleich mit Rumänien ausfällt“, sagt sie. „Es sei daran erinnert, dass einige der EU-Mitgliedsstaaten erklärt haben, dass sie auf positive Berichte aus Rumänien und Bulgarien warten, um politische Entscheidungen in Bezug auf unseren Beitritt zu anderen Strukturen der Union wie den Schengen-Raum zu fällen. Eine Tatsache ist, dass Rumänien einen sehr positiven Bericht erhalten hat, während dieser für Bulgarien, wenn er auch in einem sehr gemäßigten Ton verfasst ist, unserem Land einen Mangel an Fortschritten bescheinigt“, so Iwanka Iwanowa.
Die Europäische Kommission formulierte erneut 16 Empfehlungen für Bulgarien – die meisten von ihnen sind genau dieselben wie vom Juli 2012.
„Erstens wird deutlich empfohlen, den vom bulgarischen Parlament gebilligten Plan für die Aktualisierung der Strategie für die Justizreform umzusetzen, in dem organisatorische Schritte vorgesehen sind, die die Unabhängigkeit der Gerichte garantieren sollen“, sagt weiter die Programmdirektorin des Instituts „Open Society“ in Sofia. „Wenn ich den Text lese, dann entsteht bei mir der Eindruck, dass die Europäische Kommission die Aufteilung des Obersten Justizrates in zwei einzelne Kammern unterstützt. Die eine soll sich mit der Einsetzung von Staatsanwälten und mit ihrer Karriereentwicklung befassen und die andere – nur mit den Richtern. Die Europäische Kommission hat auch schon früher als Problem des Obersten Justizrates die Tatsache betont, dass Staatsanwälte, die in einem Gerichtsprozess die eine Seite repräsentieren, sich an den Prozeduren für die Wahl der Richter beteiligen und auch auf ihre spätere Karriereentwicklung Einfluss nehmen. In Bezug auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption wird empfohlen, ganz klar festzulegen, welche staatliche Institution die Hauptverantwortung für die Formulierung der staatlichen Politik in dieser Richtung trägt und die Tätigkeit der Behörden in diesem Kampf koordiniert. Die Regierung hat keinen ausreichenden politischen Kredit, um ihre Anstrengungen auf andere Empfehlungen zu richten, die eine Folge der mangelnden Unabhängigkeit der Gerichte sind“, sagt Iwanka Iwanowa weiter.
Ihren Worten zufolge ist der Widerstand gegen eine reale Unabhängigkeit der Gerichte so stark, dass der Regierung - auch mit einer stabilen Parlamentsmehrheit im Rücken - ein langer und schwerer Kampf bevorsteht. Sind die Empfehlungen der Europäischen Kommission aber erfüllbar?
„Es gibt eine reale Chance dafür, wenn wir auf die Statements der Vertreter der stärksten Partei in der regierenden Koalition – GERB – hören. Justizminister Hristo Iwanow wurde aber im Parlament alleingelassen, als es galt, politische Unterstützung für den Plan zur Aktualisierung der Justizreform zu finden. Ich habe den Eindruck, dass der Premier sich irgendwie abseits hält und in dieser Frage die Rolle eines unabhängigen Vermittlers zwischen den kleineren Partien in der Koalition spielt“, so Iwanka Iwanowa von Open Society abschließend.
Übersetzung: Petar Georgiew
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