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1980: Das letzte Lebensjahr des unvergesslichen Grigor Watschkow

Grigor Watschkow im Spielfilm "Männerzeiten"
Foto: Archiv

Er ist 1932 in einem kleinen katholischen Dorf in Nordbulgarien geboren und hat eigentlich zuerst die Fachschule für Weinbau in Plewen abgeschlossen. Mit 19 Jahren kam er aber nach Sofia, um Schauspiel zu studieren – nur mit einem Koffer voll Brot in der Hand. Das war Grigor Watschkow, der mit seinen Rollen in herausragenden Streifen des bulgarischen Kinos und Fernsehens für immer in die Geschichte der bulgarischen Filmkunst eingegangen ist.

In der Vorbereitungsklasse an der Schauspielschule fragte der Regisseur Grischa Ostrowski alle, warum sie Schauspieler werden wollen und was für Rollen sie spielen möchten. Grigor Watschkow sagte daraufhin, er wolle „unmenschliche Rollen“ spielen. „Und in seinen etwas eigenartig verzogenen Augen leuchteten Flammen“, erinnert sich seine damalige Kommilitonin und spätere langjährige Kollegin Tatjana Lolowa.

Mit dieser Flamme, mit der Energie und seinem Magnetismus wurde er Star in 44 Streifen. Als er 1980 mit erst 47 Jahren viel zu früh von uns ging, hatte er nicht nur eine reiche Schauspielerbiografie, sondern auch die Liebe des Publikums – im Kino und im Theater.

Grigor Watschkow im Raditschkows Stück „Lazariza“Seine schönsten Rollen im Theater hatte er in den Stücken von Jordan Raditschkow. Der Regisseur Metodi Andonow machte die beiden miteinander bekannt und setzte so den Beginn einer wunderbaren Freundschaft. „Ich weiß nicht, was die beiden eigentlich so sehr nahegebracht hat – ob ihre Herkunft, ihre reinen Seelen oder ihre Ungezwungenheit und Bescheidenheit, aber sie waren wie füreinander geschaffen“, erinnert sich seine Ehefrau Silvia Watschkowa. Im Tonarchiv des Bulgarischen nationalen Rundfunks ist ein Interview mit Grigor Watschkow erhalten, der von seiner Freundschaft mit Jordan Raditschkow erzählt:

Meine Beziehung zum Schaffen von Jordan Raditschkow – einem unserer größten zeitgenössischen Schriftsteller – ist nicht nur eine schon sehr lange, sondern auch nahe und private Beziehung. Sie liegt nicht so sehr in einer Einhelligkeit des Denkens, sondern in einer Einhelligkeit der Gefühle. Mein Vater hat mir gesunde bäurische Mannhaftigkeit, Ausdauer und Scharfsinnigkeit vererbt. Ein Leben lang arbeitet man an sich selbst, versucht, sich als Mensch aufzubauen – aber innen drin nagt immer etwas und drängt einen dazu, zu seinen Wurzeln und zu seinem windigen Charakter zurückzukehren. Die Wahrheit in der Kunst liegt immer im Knoten des Komischen und des Traurigen, des sehr Komödienhaften und des sehr Dramatischen. Das ist meine tiefe Überzeugung. Darin entdecke ich immer wieder meine Verwandtschaft mit Raditschkow. Etwas anderes, das mich sehr mit ihm verbindet, ist, dass ich mich eigentlich nie ganz in meine Rollen hineinversetzen und dem Zuschauer nicht vormachen kann, dass das nicht ich bin. In der Haut der Helden von Raditschkow fühle ich mich aber sehr wohl“, sagt Grigor Watschkow.

Selbst nach seinem Herzinfarkt schonte sich Grigor Watschkow überhaupt nicht. Er spielte auch im zweieinhalb Stunden langen Monospektakel "Lazariza" weiter, das von Jordan Raditschkow auf ihn maßgeschneidert wurde. Mit seinen zahllosen Rollen, seinem typischen Lächeln und seiner Vitalität ist er für immer in den Herzen der Zuschauer geblieben. Oder, wie es ein Theater-Kritiker ausdrückte: "Er war ein Mensch, der den anderen Mut zum Weitermachen gab, mit ihrem schweren Alltag zu kämpfen, den Sinn und die Schönheit des Lebens zu sehen. Er gab bis zum letzten Moment nicht auf, er gab bis zum letzten Augenblick alles, was er hatte."

Übersetzung: Petar Georgiew



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