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Megalith bei Busowgrad – Tor ins Jenseits

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Foto: Weneta Nikolowa

Ein steinzeitliches Observatorium oder eine zufällige Anhäufung großer Steinblöcke? Ein Heiligtum des thrakischen Stammes der Odrysen oder eine natürliche Gesteinsbildung? Die Forscher werden wohl kaum zu einer einheitlichen Meinung über die Megalithstruktur beim Dorf Busowgrad in Mittelbulgarien kommen. Eines ist jedoch sicher: es versetzt jeden Besucher in Erstaunen. Wer hat nun diese kolossalen Steinblöcke auf dem Hügel dicht am Rand des Abgrunds aufgetürmt? Ist es möglich, dass die Natur dieses Kunstwerk aus Stein mit einer rechteckigen Öffnung in der Mitte geschaffen hat? Oder ist es einer der stummen Zeugnisse der Megalithkultur in unseren Breiten? Dieses steinerne Phänomen hoch über dem berühmten Tal der Rosen, wie auch eine Reihe weiterer historischer und Natursehenswürdigkeiten der Region, sind nun für Touristen leichter zugänglich, nachdem im vergangnen Herbst ein Ökowanderweg eröffnet wurde, der die Besucher zu einer Erkundungstour durch die Geheimnisse des Sredna-Gora-Gebirges einlädt.

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Einst glaubte man, dass der Sonnenaufgang die Geburt symbolisiere, während der Sonnenuntergang für den Tod und den Übergang ins Reich der Toten stand. Unsere antiken Vorfahren errichteten an speziellen Orten Kultstätten, die Observatorien und Felsheiligtümer in einem waren. Von dort beobachteten sie die Gestirne und opferten den Göttern. Etliche Wissenschaftler nehmen an, dass die Megalithstruktur bei Busowgrad eine solche Heiligenstätte war. Untermauert wird diese These durch die Astronomie – am längsten Tag des Jahres, der Sommersonnenwende am 21. Juni, dringen die Strahlen der untergehenden Sonne präzise durch eine rechteckige Öffnung im Gestein und bilden sich auf dem gegenüberliegenden Felsen ab, an dem jedoch der Zahn der Zeit längst alle Spuren menschlicher Existenz getilgt hat.

Die Archäologen nehmen an, dass die Anlage im 2. Jahrtausend vor Christus entstanden ist. Doch nicht alle Wissenschaftler sind dieser Ansicht – einige meinen, dass das Felsgebilde lediglich ein Naturphänomen darstellt, das die menschliche Phantasie beflügelt hat. Der im Jahre 2006 verstorbene bulgarische Historiker und Thrakologe Prof. Alexander Fol war jedoch davon überzeugt, dass es sich um eine Kultstätte handele und sah in einigen Steinhaufen einen Thron und einen Altar und konnte auch einen Graben ausmachen, der seiner Meinung nach für religiöse Handlungen gedient war. Der Megalith befände sich an der südlichen Spitze eines Dreiecks – die anderen zwei Eckpunkte seien der Grabhügel „Goljama Kosmatka im Norden und die Hauptstadt der Odrysen, Seuthopolis, im Osten (heute auf dem Grund des Koprinka-Stausees). Der Thrakologe Fol war so sehr von der Bedeutung dieser Stätte überzeugt, dass er angesichts seines nahen Todes den Wunsch äußerte, ein Teil seiner Asche möge von der Spitze des Heiligtums verstreut werden, was dann auch geschah...

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Die Umgebung ist einzigartig – überall stößt man auf thrakische Hügelgräber und Heiligtümer“, pflichtete uns Krastjo Petkow vom örtlichen Wandervereins „Adlerhorst“ bei. Im vergangenen Herbst legte die Gemeindeleitung von Busowgrad mit Hilfe von Freiwilligen des Vereins einen Ökowanderweg an, der hinauf zum Megalithen führt, der mittlerweile als „bulgarisches Stonehenge“ bezeichnet wird. Die Wanderung dorthin dauert etwa zweieinhalb Stunden und führt an anderen historischen und Natursehenswürdigkeiten vorbei. Genannt seien die Überreste der spätantiken Festung Busowo, die im 5. oder 6. Jahrhundert angelegt wurde.

Die Festung hat die nördlichen Verbindungswege durch das Sredna-Gora-Gebirge bewacht; man konnte das ganze Tal und die Pässe im gegenüberliegenden Balkangebirges beobachten“, erzählt uns weiter Krastjo Petkow. „Die Anlage selbst liegt an einem Steilhang und hat einen komplizierten Grundriss. Am Fuße des Berges entspringt eine Wasserquelle, die bereits damals genutzt wurde. In der Gegend befinden sich auch die Überreste einer Reihe von spätantiken Basiliken aus dem 4. bis 6. Jahrhundert. Man nimmt an, dass sie für die örtliche Bevölkerung und die Garnison gebaut wurden. Der Ökowanderweg führt ferner zu einem thrakischen Grabmal mit Feuerstätten, die heidnischen Kulten dienten. Sie wurde erst vor zwei Jahren entdeckt und an ihr arbeiten noch Archäologen, so dass sie z.Z. noch nicht öffentlich zugänglich ist. Und dennoch kann man so einiges sehen; besonders beeindruckend sind die Ausblicke auf das Tal.

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Der Megalithbau, der aussieht, als ob es Spielzeug für die Kinder von Riesen gewesen ist, entfacht die menschliche Phantasie. Die zuweilen bizarren Steingebilde deutet jeder auf andere Weise. Ein 20minütiger Wanderweg führt zu einem speziellen Steinhaufen, der „Männerstein“ genannt wird. Unmittelbar neben dem Megalithen befindet sich ein ähnliches Gebilde, das die örtlich Bevölkerung „Vaterstein“ nennt, weil es an ein männliches Geschlechtsorgan erinnert. Wissenschaftler nehmen an, dass die alten Thraker hier der Fruchtbarkeit huldigten. Doch das sind nur Hypothesen. Das gilt auch für die südlich des Megalithen in den Fels gegrabenen Rinnen, von denen Einheimische behaupten, dass sie erst aus neuerer Zeit stammen. Krastjo Petkow ist wiederum der Ansicht, dass diese Rinnen auf natürliche Weise entstanden sind. Doch das schmälert in keiner Weise den Eindruck von diesem Phänomen, in dem mystisch veranlagte Menschen ein Tor ins Jenseits sehen. Eine Gedenktafel für den Historiker und Thrakologen Prof. Alexander Fol nährt diese Vorstellung, denn auf ihr steht: „Hier ging der Entdecker des Megalithen Prof. Alexander Fol (1933-2006) ins Jenseits über“... Hat vielleicht der Professor das Geheimnis dieser Stätte doch gelüftet? Wir werden es wohl nie erfahren, können aber unserer Phantasie freien Lauf lassen.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: Weneta Nikolowa



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