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Patienten mit Multipler Sklerose in Bulgarien kämpfen nicht nur gegen die Krankheit, sondern auch um ihre Arbeitsplätze

Foto: Archiv

Verschwommenes Sehen, Schwäche in Armen und Beinen, Gleichgewichtsstörungen, Muskelschmerzen – das ist nur ein kleiner Teil der Symptome der heimtückischen Multiplen Sklerose (kurz MS). Daran erkranken vor allem junge Erwachsene zwischen 20 und 40 Jahren und ihre Ursachen sind noch nicht ganz geklärt und nachgewiesen. Es gibt viele verschiedene Hypothesen. Interessant ist auch, dass bestimmte ethnische Gruppen, wie die Roma oder die Inuit nicht oder nur sehr selten daran erkranken. Die Bulgaren sind aber ebenso davon betroffen wie die anderen europäischen Völker – einer von 1000 leidet an der Multiplen Sklerose.

Anlass, um darüber zu sprechen, ist der Internationale Tag der Multiplen Sklerose, der 27. Mai, der seit sechs Jahren auch in Bulgarien begangen wird. Ärzte und Patienten kämpfen auch bei uns tagtäglich gegen die heimtückische Erkrankung. „In den letzten zehn Jahren gibt es in dieser Beziehung große Fortschritte, die auch in Bulgarien erfolgreich angewendet werden. Wir verfügen über eine breite Palette an Medikamenten, es ist aber auch notwendig, für eine Verbesserung der Sozialarbeit und für ein würdiges Leben der Patienten zu arbeiten, die in Bulgarien rund 5000 an der Zahl sind“, sagt Desislawa Rajanowa, Vorsitzende des Verbandes der MS-Patienten.

Wie bei allen anderen ihrer Leidensgenossen stellte die Krankheit unerwartet ihr Leben auf den Kopf. Mit 33 Jahren begann zunächst ihr Arm einzuschlafen. Sie achtete aber nicht weiter darauf. Nach einigen Monaten kam eine Schwäche in den Beinen hinzu. Sie ging zum Arzt, wurde schließlich zur Untersuchung mit einem Magnetresonanztomographen geschickt und die Diagnose stand fest – Multiple Sklerose.

„Ich war ganz durcheinander, wollte nur schnell nach Hause, mit meiner Familie sprechen... Am nächsten Tag wurde ich im Krankenhaus aufgenommen“, erinnert sich Desislawa.

СнимкаNach dem schockierenden ersten Moment nach der Diagnose beginnt man sich zu fragen, wie wohl der Arbeitgeber reagieren wird, was die Freunde dazu sagen werden, wenn sie von der Krankheit erfahren“, sagt sie. „Ich konnte mich aber davon überzeugen, dass, wenn ich offen darüber spreche, die anderen selbst schnell merken, dass ich immer noch derselbe Mensch bin, dass ich mich wegen der Diagnose nicht verändert habe. Ich habe jetzt zwar etwas Schwierigkeiten beim Laufen, das ist aber nicht so wichtig – ich bin ja keine Tänzerin oder irgendwas ähnliches von Beruf. Ich arbeite nach wie vor in der staatlichen Verwaltung, mache meine Arbeit so gut wie bisher. Durch mein persönliches Beispiel versuche ich aber die Vorurteile der Arbeitgeber zu verändern, sie davon zu überzeugen, dass Patienten mit Multipler Sklerose voll arbeitsfähig sein können.

Ich lebe schon seit 15 Jahren mit der Krankheit und arbeite unter hoher Belastung, in einer Abteilung mit hoher Verantwortung, habe inzwischen auch einen zweiten Hochschulabschluss gemacht. Neben meinem Beruf komme ich auch mit meiner Öffentlichkeitsarbeit zurecht“, erzählt die Vorsitzende des bulgarischen Verbandes der MS-Patienten weiter. „Ich nutze sogar meine Mittagspause, um mit Leuten zu sprechen, die erst kürzlich mit der Diagnose konfrontiert wurden und verstört und verunsichert sind.

Das erste Problem, auf das sie stoßen, ist in der Regel nicht, ob sie eine gute Behandlung bekommen, sondern ob sie ihren Arbeitsplatz behalten werden. Es handelt sich ja um junge Leute im arbeitsfähigen Alter aus den verschiedensten Berufen. Mehr als die Hälfte von ihnen verheimlicht aus diesem Grund ihrem Arbeitgeber, woran sie leiden, aus Angst, dass sie ihren Job verlieren. Diese Angst ist auch berechtigt, denn nur 5 Prozent der MS-Patienten bei uns haben einen festen Arbeitsplatz. Die Ursache ist, dass die Arbeitgeber nicht genau über diese Krankheit informiert sind und dass sie Vorurteile haben. Tatsache ist, dass ab 2002, seit mehr als zehn Jahren also, die Behandlung der Multiplen Sklerose auch bei uns Weltniveau erreicht hat. Im Unterschied zu früher sind die MS-Patienten bis auf einige Ausnahmefälle nicht mehr an den Rollstuhl gefesselt. Wenn die Therapie rechtzeitig beginnt und richtig durchgeführt wird, bleiben sie noch viele Jahre beweglich und voll arbeitsfähig. Die meisten Patienten haben Familie, eine Wohnung, zahlen ihre Steuern und Gebühren und haben sogar Kredite aufgenommen. Es ist höchste Zeit dafür, auf ihr Potential hinzuweisen, besonders in Anbetracht der zunehmenden demographischen Krise und des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften in vielen Bereichen“, sagte die Vorsitzende des Verbandes der MS-Patienten in Bulgarien Desislawa Rajanowa abschließend.

Übersetzt von Petar Georgiew




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