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Justizreform: Die großen Stolpersteine bleiben liegen

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Es ist wieder laut geworden auf Sofias Straßen. Zwar nicht so laut, wie vor zwei Jahren, als Tausende allabendlich bei Regierungsprotesten durch die Innenstadt gezogen sind. Sie erinnern sich – die Wahl des dubiosen Medienmagnats und Abgeordneten der türkischen Wirtschaftspartei DPS, Deljan Peewski, zum Geheimdienstchef brachte die Menschen nach einem spontanen Wutausbruch auf die Straße, um gegen die Oligarchieherrschaft in Bulgarien zu protestieren. Peewski trat zurück, später auch die Regierung. Nun aber scheint es, als ob sich die Oligarchen zurückmelden und prompt versammelte sich auch die Protestgemeinschaft vor dem Parlamentsgebäude. Hintergrund ist diesmal die umstrittene Justizreform, die spätestens seit der Regierungsproteste 2013 in aller Munde ist. Nun soll sie den Weg in die Verfassung finden. Und es ist ein steiniger Weg, wie es sich herausstellte. Denn auch trotz des erzielten Kompromisses im Parlament bleiben die großen Stolpersteine liegen.

Die Vorgeschichte: Der konservative Reformblock hatte die Justizreform als Bedingung gestellt, sich an der Koalitionsregierung mit der bürgerlichen GERB-Partei von Ministerpräsident Borissow und weiteren zwei Kleinparteien zu beteiligen. Justizminister Hristo Iwanow vom Reformblock brachte Ende Mai den entsprechenden Entwurf ins Parlament ein, der eine Umstrukturierung des Obersten Justizrates vorsieht. Die Wirtschaftspartei DPS, drittstärkste Parlamentskraft, lehnt die Regierungsvorschläge allerdings vehement ab. Die Kritiker der DPS mahnen, die Wirtschaftspartei versuche dadurch, ihren jahrelang und systematisch aufgebauten Einfluss im Obersten Justizrat zu retten. Am Donnerstag, wenige Stunden vor der entscheidenden Abstimmung im Parlament, kam es dann zur überraschenden Wende – mindestens 160 Abgeordnete aus sechs der acht Fraktionen einigten sich auf einen Kompromiss. Damit ist die geforderte Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen gesichert.

Demnach soll der Oberste Justizrat, das Selbstverwaltungsorgan der Justiz mit dem verfassungsmäßigen Auftrag, ihre Unabhängigkeit zu garantieren, wie eingangs vorgeschlagen geteilt werden. Künftig soll er aus zwei selbstständigen Kammern der Richter und der Staatsanwälte bestehen. Dadurch soll erreicht werden, dass die separaten Kammern für die Beförderung und Ahndung von Disziplinarverstößen von Richtern, bzw. von Staatsanwälten eigenständig entscheiden und somit die Möglichkeiten für Einflussnahme reduziert werden. Eine weitere, wichtige Forderung des Justizministers und seines Reformblocks musste allerdings zum Opfer fallen. Die Beschlüsse des Obersten Justizrates werden auch künftig in geheimer Abstimmung gefällt, was als Tarnung für Bestechungen seitens einzelner Richter und Staatsanwälte oder von diesen eingesetzter Mittelsmänner gilt. Dafür aber sollen die Vollmachten des Kontrollgremiums des Obersten Justizrats ausgeweitet werden, so dass etwa die Prüfung der Mitglieder auf Interessenkonflikt möglich wird.

Zu den Kontroversen in der Justizreformdebatte kam es, weil sich hinter diesen Strukturänderungen eigentlich politische Machtspielchen verbergen. Um es auf den Punkt zu bringen, versucht die DPS zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen will sie den Einfluss im Justizrat nicht verlieren, zum anderen soll der Reformblock kompromittiert werden und am besten aus der Regierungskoalition fliegen. Den Reformblock zu kompromittieren, ist mehr oder weniger erfolgreich über die Bühne gelaufen, obwohl die unerfahrenen konservativen Politiker, allen voran Radan Kanew, sich das selbst zuzuschreiben haben. Denn eine so gravierende und grundlegende Reform, die erwartungsgemäß auf starke politische Ablehnung stößt, hätte wesentlich besser vorbereitet werden sollen.

Viel größer und somit nicht auf einmal zu lösen ist allerdings das Problem, dass die bulgarische Justiz seit den 1990er Jahren in der Hand von einer Elite ist, die die Zügel sehr fest hält, vom Status quo profitiert und um nichts in der Welt darauf verzichten will. Kein Wunder – die Justiz ist nämlich jener öffentlicher Bereich im postkommunistischen Bulgarien, der sich am mühsamsten demokratisiert und bis zur Wende am meisten verkümmert war. Schließlich wurde früher alles von der Partei entschieden, einschließlich juristischer Causa. Seitdem sind nur 25 Jahre vergangen – viel zu wenig Zeit, damit sich das Blatt wenden kann und der Wille in der Justiz selbst aufkommt, auch gegen die einflussreichen Oligarchen vorzugehen.



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