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Kraftstoffhändler im Visier der Regierung

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Foto: BGNES

Wie bereits in den Vorjahren sind die Kraftstoffpreise auch in diesem Sommer ein aktuelles Thema. Zumal die im Juli gesunkenen Rohölpreise am Weltmarkt nicht bei den Endverbrauchern angekommen sind. Die langerwartete Verbilligung war erst Ende August Fakt. Und das im Zuge des gemeinsamen Fernsehinterviews von Ministerpräsident Bojko Borisow und Zollbehördenchef Wanjo Tanow. Zudem stellte Premier Borisow die Überprüfung aller Händler in Aussicht. Der Markt, den die vorherigen Preisschwankungen unbeeindruckt gelassen hatten, reagierte jedoch auf die politische Botschaft. Das Ergebnis - die Preise an den Zapfsäulen sanken um ca. 5 Cent oder 4,5% pro Liter.

Diese Nachricht ist zweifelsohne eine gute, wenngleich damit Zweifel aufkommen - sowohl was die Preisbildung am Kraftstoffmarkt in Bulgarien als auch was die Transparenz in der Branche betrifft. Und nicht zuletzt lässt sie uns den Sachverstand der Aufsichtsbehörden (Kommission für Wettbewerbsschutz und Steuerbehörde) in Frage stellen.

Снимка"Das ist keine Lösung, sondern Populismus", kommentiert Kalojan Stajkow vom Institut für Marktwirtschaft die Situation. "Irgendjemand erklärt, es gäbe Preisabsprachen, die Preise seien zu hoch. Warum aber ist das so? Wo sind die objektiven Zahlen? Immerhin gibt es einen Antimonopolausschuss und eine Steuerbehörde, die prüfen können, was genau passiert! Es ist absurd, Schlussfolgerungen zu ziehen ohne die Prüfergebnisse abzuwarten. Es scheint, als ob die Steuerbehörde auf die Importeure, Produzenten und Händler öffentlichen Druck ausüben und sie so zu einer Preissenkung veranlassen will anstatt ihre Arbeit zu machen, wofür sie bezahlt wird."

Das Europäische Energieportal beziffert den mittleren Literpreis für Kraftstoffe (Diesel und Benzin) vor Steuern mit 0,552 Euro. Bei uns liegt dieser bei 0,617 Euro. Damit verzeichnet Bulgarien hinter Dänemark, Malta und Italien den viertteuersten Nettospritpreis in der Gemeinschaft. 2014 wurden ca. 45% des Benzins und 35% des Dieselkraftstoffs am bulgarischen Markt importiert. Man kann jedoch nicht mit Sicherheit sagen, ob diese Mengen zur Bedarfsdeckung am Binnenmarkt verwendet oder reexportiert wurden. Der Rest wird von den lokalen Raffinerien bereitgestellt, von denen die Burgasser Lukoil-Raffinerie die größte ist. Andererseits gehen rund 50% der Lukoil-Produktion in den Export.

Auch belegen die Zahlen des Europäischen Energieportals, dass Bulgarien das EU-Land mit der niedrigsten Verbrauchsteuer ist. Wenn wir die dritte Preiskomponente hinzufügen - nämlich die Umsatzsteuer - liegt Bulgarien unter allen 28 EU-Staaten auf Platz 21.

Ob es auf irgendeiner Ebene Preisabsprachen gibt, lässt sich nur schwer nachweisen. Vor drei Jahren konstatierte die Kommission für Wettbewerbsschutz Preisabsprachen am bulgarischen Kraftstoffmarkt, die später jedoch vom Gericht verworfen wurde. Tihomir Bezlow vom Zentrum für Demokratieforschung sieht das anders: "Man erzählt sich, dass es in der Branche geheime Preisabsprachen gibt, die sich jedoch nur schwer nachweisen lassen."

"Das Problem liegt in der Abhängigkeit aller Kontrollbehörden", meint Kalojan Stajkow. "Ihnen sind die Hände gebunden, da sie politischem Druck ausgesetzt sind. Vor Jahren hatte die Kommission für Wettbewerbsschutz nur sehr schwache Argumente, die letztendlich nichts nachweisen konnten. Jetzt bringen sich Politiker in Szene und verkünden, es gäbe Preisabsprachen! Da stellt sich doch die Frage, warum die zuständige Kommission untätig ist? Jene Institutionen, die diese Absprachen nachweisen und entsprechende Vorkehrungen treffen könnten, um den Negativeffekt einzudämmen, drehen Däumchen. Das Wort ergreifen Politiker, die sich reell gesehen ins rechte Licht rücken wollen."

Spritqualität, Kontrolle und Marktbewertung - das seien die drei Hauptprobleme der Kraftstoffbranche, die der Staat nicht in den Griff bekommt, meint Tihomir Bezlow. Weil es den Behörden an Fachkräften mangelt, die von den immer komplizierter werdenden Systemen und Anlagen etwas verstehen.

Kalojan Stajkow wiederum empfiehlt zunächst eine Analyse des gesamten Kraftstoffsektors - in Form einer Prüfung durch die Agentur für staatliche Finanzkontrolle wie es im Energiebereich der Fall war.

Übersetzung: Christine Christov



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