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Wie soll sich Bulgarien im Flüchtlingschaos orientieren?

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Foto: EPA / BGNES

Der präzedenzlose Migrationsdruck auf Europa stand in dieser Woche im Mittelpunkt von gleich zwei Gipfeltreffen. In Malta haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs zuerst mit ihren afrikanischen Kollegen beraten. Es folgte ein informelles Gipfel-Treffen, auf dem sie eine außerordentliche Zusammenkunft in der Türkei beschlossen haben, die möglichst Ende November oder Anfang Dezember stattfinden soll.

An der Spitze der bulgarischen Delegation in Malta stand Premier Bojko Borissow. Er hat die Vereinbarung zur Gründung eines Afrika-Nothilfe-Treuhandfonds unterzeichnet. Bulgarien beteiligt sich an diesem Fonds mit 50.000 Euro. Grund für diese recht bescheidene Summe sind nicht allein die begrenzten Finanzmöglichkeiten unseres Landes, sondern auch Zweifel, inwiefern diese finanzielle Unterstützung reale Ergebnisse zeitigen wird. Im Prinzip sind diese Mittel für die Einrichtung von Zentren in mehreren afrikanischen Ländern vorgesehen, in denen potentielle Migranten ausgesiebt werden sollen, bevor sie in Richtung Europa weiterreisen dürfen. Anlass für Reserven liefert auch die Haltung mehrerer afrikanischer Staats- und Regierungschefs, die 1,8 Milliarden Euro als unzureichend bezeichnet haben. Wenn man sich vor Augen führt, dass die für Emigranten eingeplanten Gelder ein Zehntel des BIP etlicher afrikanischer Staaten ausmachen, ist eine solche Haltung, gelinde gesagt, inakzeptabel. Genau wie die auf Gipfelebene geäußerte These inakzeptabel ist, eine unterschiedliche Behandlung afrikanischer Emigranten und syrischer Flüchtlinge sei mit Diskriminierung gleichzusetzen. Offensichtlich gibt es wesentliche Diskrepanzen zwischen der EU und den afrikanischen Ländern. Deshalb  ist es realistischer, eher mit gemeinsamen anstatt mit Vereinbarungen mit den einzelnen Ländern zu rechnen. Unlängst wurde eine solche Vereinbarung mit Äthiopien erzielt.

In Valletta fand auch ein außerordentlicher EU-Gipfel statt, bei dem die Maßnahmen diskutiert wurden, mit denen man dem Migrationsdruck begegnen will. Die Bilanz ihrer Umsetzung löst aber Skeptizismus aus. Und so hat die Europäische Kommission von den Landesregierungen dringende Handlungen zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland gefordert. Bislang hat die Umverteilung bei 130 von insgesamt 160.000 Flüchtlingen geklappt. Wenn wir so weitermachen, könnten wir 2101 ans Ziel kommen, lautete der ironische Kommentar von EU-Kommissionspräsident Juncker. In diesem Kontext sagte der bulgarische Regierungschef Borissow, Bulgarien habe bereits die Unterbringung der ihm zugeteilten Flüchtlinge gesichert, allerdings wolle keiner von ihnen nach Bulgarien kommen. Bulgarien wird keine Gefängnisse errichten, um Flüchtlinge aufzuhalten, die nicht bleiben wollen, meinte Borissow. Seinen Worten zufolge sei es von lebenswichtiger Bedeutung, zuerst den Flüchtlingsstrom zu stoppen, die Grenzen zu schließen und die bereits eingetroffenen Migranten zu versorgen. Erst danach sollte man sich Gedanken über eine andere Regelung zur Aufnahme neuer Flüchtlinge in Europa machen, so Borissow.

Wenige Stunden bevor sich die EU-Staats- und Regierungschefs in Malta auf ein außerordentliches Treffen in der Türkei geeinigt haben, kommentierte Bojko Borissow, dass er gewisse Zugeständnisse der EU gegenüber Ankara unterstützen würde, da die Türkei einen Großteil der syrischen Flüchtlinge aufnehme. Man könne der Türkei nicht nur Finanzhilfe gewähren, sondern beispielsweise auch eine Liberalisierung der Visabestimmungen für türkische Staatsbürger einräumen. Letztendlich haben sich die Vertreter der EU darauf verständigt, der Türkei 3 Milliarden Euro bereit zu stellen, die in den kommenden zwei Jahren in die Verbesserung der Lebensbedingungen syrischer Flüchtlingen auf türkischem Territorium investiert werden sollen. An welche Bedingungen die EU diese Mittel binden wird, werden wir Ende diesen oder Anfang nächsten Monats erfahren.

Gleich zwei Gipfeltreffen in Malta an einem Tag und die Entscheidung für ein weiteres in absehbarer Zukunft haben den Eindruck gefestigt, dass die EU keine gemeinsame Haltung in puncto Flüchtlingskrise hat und immer noch schwankt, wie dieses derzeit größte Problem genau angegangen werden soll.

Übersetzung: Rossiza Radulowa



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