Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

2014: Nikola Gjusselew – der Maler unter den Sängern

БНР Новини
Foto: BGNES



Ich mag das Wort „Legende“ nicht – ich bin ein real existierender Mensch, ein Künstler. Wen ich aber dennoch etwas in dieser Richtung sagen darf: man hat mich als weltweit besten Kantilenen-Bass bezeichnet.“ Das sagte in einem seiner letzten Interviews der bulgarische Opernsänger Nikola Gjuselew, der 2014 auch die Bühne des Lebens für immer verließ. Die Zeitung „Le Monde“ beschrieb seine Stimme als ein „Gestirn voller Edelsteine“. Bereits zu Beginn seiner Karriere verglich man ihn mit den berühmtesten Bassisten des 20. Jahrhunderts Fjodor Schaljapin und Boris Christow.

Nikola Gjuselew befasste sich von klein auf gleichzeitig mit Musik und Malerei. Mit 11 Jahren sang er in seiner Geburtsstadt Pawlikeni in einer Aufführung der Kinderoper „Der kleine Geiger“. Zuweilen wollte er ein großer Maler, oder ein bedeutender Sänger, oder auch ein virtuoser Geiger werden. Gjuselew erinnert sich:

„Mein Vater spielte sehr gern Violine. Er hatte sich das Geigenspiel selbst beigebracht und spielt Stücke von Mozart, Beethoven und Boccherini“, schwelgt der Sänger in Erinnerungen. „Er schickte mich zu einem Mitbürger, der aus irgendeinem Grund in unserem Städtchen geblieben war und Musik lehrte. Ich besuchte gern seine Stunden, war aber wie die meisten Kinder auch nicht gerade begeistert, etwas gegen meinen Willen zu tun. Die Musik zog mich an, wenn man aber richtig Violine spielen will, muss man viel üben... Ich hatte das Gefühl, dass sich die Violine in meinen Händen manchmal zu sträuben begann.“

Als Nikola Gjuselew 15 Jahre alt war, hörte er zum ersten Mal die Oper Boris Godunow von Mussorgski. Besonders der Monolog des Boris Godunow zog ihn in den Bann der Opernmusik. Jahrzehnte später gab er in einem Interview zu, dass es die Melodie gewesen sei, die ihn so begeistert habe. Der Gesang kam ihm vor, als ob er schwebe und sich in die Höhe erhebe...

Seine Familie zog nach Sofia um; Nikola sang, malte und spielte weiter Violine. Nach dem Gymnasium bewarb er sich um ein Studium an der Kunstakademie und wurde nach bestandener Aufnahmeprüfung in der Fachrichtung Malerei aufgenommen. Er fiel seinen Lehrern mit seinem Talent und seiner hervorragenden Technik auf. Nachdem er die Akademie mit Auszeichnung beendet hatte, wurde ihm eine Arbeit in Berlin angeboten. Doch das Schicksal lenkte ihn in eine andere Bahn - Nikola Gjuselew traf den anerkannten bulgarischen Opernsänger und Musikpädagogen Christo Brambarow. Er erkannte in den jungen Mann das Talent eines bedeutenden Opernsängers. Brambarow hatte ein richtiges Gespür, denn er gilt auch als der Entdecker anderer bedeutender Sängerinnen und Sänger, wie Gena Dimitrowa und Nikolaj Gjaurow. Gjuselew blieb in Sofia und begann sich intensiv mit Gesang zu beschäftigen.

Bereits ein Jahr später debütierte er an der Sofioter Oper in der Rolle des Timur in Puccinis „Turandot“. Im Jahr darauf gewann er auf den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Helsinki eine Goldmedaille. Diese hohe Auszeichnung überzeugte Nikola Gjuselew, weiter die Gesangslaufbahn zu verfolgen. 1963 errang er auf dem internationalen Wettbewerb für Nachwuchssänger in Sofia den Ersten Preis und eine Goldmedaille. Mit seiner Karriere ging es steil nach oben – Gjusselew verwandelte sich auf einen Schlag in einen der gefragtesten Opernsänger in der Welt. Die größten Opernhäuser öffneten ihre Tore für ihn. Der Opernzauber, dem er selbst einst verfallen war, ging nunmehr von ihm aus.

Mit den Jahren schwoll sein Repertoire auf über 70 Partien aus der russischen, italienischen, französischen und deutschen Opernklassik an. Seine Lieblingsoper blieb aber „Boris Godunow“ von Mussorgski.

Übersetzung: Wladimir Wladimirow



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

2008: Konstantin Pawlow - im Mutterleib eines Walfischs

-   Wo warst du - fragen sie mich - über drei Jahrzehnte lang? -   Ich war im Mutterleib eines Walfischs. Das wisst ihr doch alle, warum fragt ihr dann. -   Wie hast du - fragen sie mich - die drei Jahrzehnte in seinem Wanst..

veröffentlicht am 07.11.15 um 10:35

2007: Der EU-Beitritt Bulgariens zwischen Optimismus und Skepsis

"Die Europäische Union? Mein Rat: Sofort zumachen!" Erschreckende Worte, besonders dann, wenn sie aus dem Mund von Margaret Thatcher kommen und in ihrem Buch "Die Kunst des Staatsmannes" festgehalten sind. In den Achtzigern des 20. Jahrhunderts..

veröffentlicht am 31.10.15 um 12:15

2005: Stefan Gruew – Das andere Bulgarien

Das andere Bulgarien – das sind die Tausenden Bulgaren, die nach dem prosowjetischen Putsch am 9. September 1944 aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Im Ausland hielten sie die Erinnerung an ihr Vaterland, seine Geschichte und Kultur wach und..

veröffentlicht am 24.10.15 um 10:35