Ein Fest ohne den traditionellen Rakia ist in Bulgarien undenkbar. Er ist sowohl auf Hochzeiten als auch auf Taufen ein absolutes Muss. Rakia kommt zu jedem Anlass auf den Tisch - selbst wenn man der Toten gedenkt. Am Vorabend von Weihnachten und Silvester besorgt man sich noch schnell einen guten Tropfen, denn dieser hebt die Festtagsstimmung. Die perfekte Ergänzung zu den typisch bulgarischen Beilagen ist natürliche der hausgemachte Rakia. In der Regel wird er auf dem Land gebrannt, in einer der vielen kleinen Dorfbrennereien. Diese erfreuen sich auch ohne Werbung regen Zulaufs. Jeder Dorfbewohner kennt sie und weiß, dass man dort den besten Rakia brennen kann, der selbst Kenner neidisch werden lässt.
In diesem Jahr hat der Boden sehr gute Früchte hervorgebracht. Und so war in den Dorfbrennereien den ganzen Herbst über Hochbetrieb. "Für das Rakia-Brennen braucht man Fingerspitzengefühl und Zeit", behauptet der Kupferschmiedemeister Blagoj Popow aus Plowdiw. Seit über 30 Jahren stellt er dafür Kessel her. Ganz nach dem Wunsch und Geschmack der Kunden. Sehr nachgefragt sind 250-Liter-Kessel. Aber auch Kessel mit einer Tonne Fassungsvermögen werden bestellt. Seit geraumer Zeit bereichern Miniaturkessel sein Angebot, mit denen man genau ein Glas Rakia brennen kann.
Niemand könne den Bulgaren den Rakia wegnehmen, denn für sie sei er unersetzlich, meint der Kupferschmiedemeister Blagoj Popow und erinnert in diesem Zusammenhang an die Schnapsbrennertraditionen in unseren Breiten:
"Die ersten Kessel in unseren Breiten waren aus Keramik. Im Museum in Trojan kann man so einen Kessel besichtigen. Er wurde von Archäologen aus einzelnen Fundstücken zusammengesetzt. Überall auf der Welt wird Obstschnaps gebrannt, den wir in unseren Breiten Rakia nennen. Die Technologie ist in etwa gleich, der Geschmack macht den Unterschied. Das Geheimnis eines guten Rakia liegt in der Auswahl der Früchte. Sie müssen reif und unbeschädigt sein und dürfen keine Steine oder Kerne enthalten. Ein edler Traubenschnaps wird aus Wein hergestellt. Dabei ist der Destillationsprozess besonders wichtig, da das Aroma der ätherischen Öle erhalten werden muss. Denn sie sorgen für den guten Geschmack. Nach der Destillation werden zusätzlich Wasser und Destillate aus Kräutern und ätherischen Ölen hinzugefügt. In unseren Breiten werden sehr hochwertige Rakia-Arten hergestellt, die auf internationalen Messen und Verkostungen häufig Medaillen erhalten", erzählt Blagoj Popow.
Zwischen dem hausgebrannten und dem Fabrik-Rakia gäbe es fast keinen Unterschied, meint Blagoj Popow, vorausgesetzt, man macht beim Brennen keine schwerwiegenden Fehler. "Leute, die sich seit Jahren damit beschäftigen, stellen sehr hochwertigen Rakia her", meint der Kupferschmiedemeister Blagoj Popow und gibt in diesem Zusammenhang eine Anekdote zum besten:
"Auch das Rakia-Trinken verlangt Fingerspitzengefühl. Während der Fastenzeit suchte eine Gruppe junger Leute den Dorfpopen auf, um ihn zu fragen, ob sie Rakia trinken dürfen. Dieser öffnete die Heilige Schrift und begann darin zu blättern. Er suchte und suchte, vergeblich. Um ihnen dennoch einen guten Rat mit auf den Weg zu geben, meinte er schließlich, der Rakia sei eine gute Sache und sollte in Maßen genossen werden. Denn anderenfalls entreiße er heute den klaren Gedanken, gäbe ihn jedoch morgen wieder zurück", erzählt Blagoj Popow.
Rakia sollte man unbedingt in Maßen genießen, sonst sorge er für einen schweren Kopf. Die diesbezügliche Gesetzgebung bereitet da weniger Kopfschmerzen.
"Bulgarien hat ein solides Verbrauchsteuergesetz, dessen Umsetzung jedoch mehr Kontrolle erfordert", meint der Kupferschmiedemeister. "Im Parlament ist die Rede von einer Anhebung der Verbrauchsteuer für hausgebrannten Rakia, was wohl kaum mehr Einnahmen bringen wird. Immerhin ist die Dorfbrennerei eine Art Dienstleistungsatelier, d.h. der hier gebrannte Schnaps ist für den Eigenbedarf bestimmt. Es wäre angebrachter, verstärkt zu kontrollieren, wie viel Rakia genau auf dem Land gebrannt wird. Das würde die Einnahmen erhöhen. Ein sehr gutes Beispiel ist das Rakia-Gesetz vor 1944. Demnach musste jeder genau deklarieren, wie viele Kilogramm Pflaumen er zu Schnaps verarbeiten will. Dann kam ein Gemeindevorsteher vorbei und berechnete die zu entrichtende Steuer noch vor der Destillation. Dem Schnapsbrenner blieb dann nichts anderes übrig, als guten Rakia zu brennen, um nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben."
Übersetzung: Christine Christov
Fotos: BGNES und destilatori.eu
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