Mit riesiger Verspätung und nach mehrfachem Aufschub hat die unabhängige bulgarische Energiebörse vergangene Woche nun endlich den Betrieb aufgenommen. Damit startete auch die aufgeschobene Liberalisierung des Strommarktes in Bulgarien. Obwohl die Testphase bereits vorbei ist, geht es hier um nur zaghafte Schritte und eine halbherzige Liberalisierung. Erstens, weil die Börse staatlich ist und zweitens, weil sie nur mit Strom von staatlichen Kraftwerken und Gesellschaften handelt. Diese sind zwar der größte Stromerzeuger des Landes, von einer echten Liberalisierung kann man aber erst dann sprechen, wenn auch die anderen privaten Stromerzeuger an die Börse gehen. Zudem wird die Börse auch ihrem Namen bisher nur wenig gerecht, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder andere Energieträger noch energienahe Produkte gehandelt werden, sondern ausschließlich Strom.
Die ersten Geschäfte im Umfang von etwa 5% des täglichen Stromkonsums in Bulgarien zeigen, dass sich eines der Hauptargumente gegen die Liberalisierung – nämlich, dass der Strom damit teurer würde - nicht vollständig bewahrheitet hat. Im Gegenteil - die ersten Geschäfte wurden 25% unter dem regulierten Marktwert abgeschlossen. In der Folgezeit haben die Preise jedoch fast die kontrollierten Werte erreicht.
Von den Preisschwankungen haben die Privathaushalte bisher jedoch herzlich wenig, da sie ihren Stromanbieter noch nicht frei wählen können. Das soll dann ab April der Fall sein und wird die Hersteller und Anbieter vermutlich zur Optimierung ihrer Markt- und Preispolitik veranlassen. Dass das dringend notwendig ist, haben die Massenproteste vor drei Jahren gezeigt, die zum Rücktritt des ersten Kabinetts unter dem amtierenden Premier Bojko Borissow geführt haben. Von der Liberalisierung erhofft man sich auch, dass deutlich mehr Strom gehandelt wird und man zunehmend zu Termingeschäften übergeht. Momentan werden ausschließlich Spotgeschäfte getätigt.
Mit dem vorsichtigen und zaghaften Start der neuen Energiebörse werden die Probleme jedoch nicht aus der Welt geschafft, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Die Hersteller und Kunden brauchen Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Auch muss das passende Modell zur vollständigen Liberalisierung gefunden werden, das derzeit von Weltbankexperten erstellt wird. In diesem Zusammenhang besonders förderlich war die gestern vorgestellte Online-Plattform für den freien Abschluss von Energielieferverträgen in Sofia.
Obwohl die Liberalisierung des Energiemarktes noch viele Fragen aufwirft, wurde bereits ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Dieser könnte zur Lösung der Probleme um den kolossalen Schuldenberg des praktisch bankrotten staatlichen Energiewesens beitragen. Aber auch zur Überwindung der besorgniserregenden Tatsache, dass laut Weltbank 60% der Bulgaren energiearm sind.
Der freie Markt reagiert auf Angebot und Nachfrage und pendelt sich entsprechend ein. Für Sozialschwache, die Probleme haben, ihre Stromrechnungen zu zahlen, müssen anderweitige adäquate Lösungen gefunden werden. In diesem Bereich kann der Staat auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen, denn Tausende Bulgaren erhalten schon jetzt Brennholz zu sozialen Preisen.
Übersetzung: Christine Christov
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