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„Die Risiken für Bulgarien angesichts der erwarteten Flüchtlingswelle sind groß und in einem solchen Moment braucht das Kabinett vor allem Stabilität“, erklärte der Vorsitzende der Konföderation der Arbeitgeber und Industriellen Kiril Domustschiew nach seinem Treffen mit Premier Borissow.
Foto: BTA

Der jüngste Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission zum Stand in den Bereichen Justiz und Inneres in Bulgarien ist erneut sehr kritisch ausgefallen. Dabei wurde der Regierung in Sofia direkt unterstellt, dass sich nichts dagegen unternehme und sich die Korruption weiter im Lande breit mache. Kürzlich hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sogar erklärt, aufgrund des Unvermögens, seine Probleme selbst zu lösen und des Ermangelns jeglichen Fortschritts bei der Durchsetzung von Rechtstaatlichkeit, könnte sich Bulgarien künftig als einziger EU-Staat erweisen, der unter spezieller Aufsicht steht.

Vor einem Monat zeigte auch die Wirtschaft ihren Unmut und grub das Kriegsbeil gegen die Regierung aus, in der Überzeugung, dass Rechtstaatlichkeit, Sicherheit und klare Regeln Fremdwörter sind und der Staat Kriminalität, Korruption und Willkür nichts entgegenzusetzen hat. Zu allem Unmut zeichnen sich am Horizont die Konturen einer sich im Frühjahr aktivierenden Flüchtlingswelle ab, von welcher Bulgarien dieses Mal merklich betroffen werden könnte.

Kurz gesagt hat die Regierung unter Borissow gerade jetzt an allen Fronten zu kämpfen, ganz zu schweigen von den Problemen in den Reihen der eigenen Regierungskoalition, vom akuten Skandal mit Griechenland, das mit den Blockaden unzufriedener griechischer Bauern de facto seine Grenze zu Bulgarien dicht macht und nicht zuletzt das Misstrauensvotum im Parlament.

Vor diesem düstren Hintergrund wurden wir urplötzlich Zeugen von Liebeserklärungen, Umarmungen und Treueschwüren zwischen dem Großkapital und dem Regierungschef... ganz wie im Märchen. Gemeint ist die urplötzliche und öffentliche Versöhnung zwischen dem Großkapital und dem Ministerpräsidenten. Ein dermaßen optimismusreiche und gute Laune versprühende Theatervorstellung ist selbst in diversen Sofioter Schauspielhäusern eine Seltenheit. Genau ein solches Spektakel offenbarte sich jedoch im Kabinett des Regierungschefs, wo der Premier den Chef der Konföderation der Arbeitgeber und Industriellen Kiril Domustschiew  beinahe herzte und dieser aus Dankbarkeit für die guten Taten der Regierung für die Wirtschaft um Haaresbreite nicht vor ihm auf die Knie ging. Nur einen Monat zuvor hatte genau der gleiche Domustschiew mit der Faust auf den Tisch gehauen und den unverzüglichen Rücktritt der rechten Hand des Premiers – also von Innenministerin Rumjana Batschwarowa gefordert. Jetzt weht der Ton aus der entgegengesetzten Richtung: alles ist o.k. und niemand sägt mehr am Premierstuhl.

Was hat zu dieser abrupten Kehrtwendung und dem völlig unerwarteten Schulterschluss des Großkapitals mit der Regierung in weniger als einem Monat geführt? Ganz einfach – Selbsterhaltungstrieb und Überlebensinstinkt.

Die Probleme häufen sich, türmen sich auf, werden immer bedrohlicher und gefährden immer reeller die politische und wirtschaftliche Stabilität des Landes. Eine Stabilität, die Regierungschef Borissow über allem am Herzen liegt, was es auch kosten mag. Dabei fürchtet auch die Wirtschaft nichts so sehr wie Instabilität und fehlende Voraussehbarkeit. Genau deshalb beschloss sie, auf das kleinere Übel zu setzen – auf den Status quo. Ob nun gut oder schlecht, das kennt man wenigstens und damit kommt irgendwie klar. Die Wirtschaft profitiert vom Status quo, der Premier ebenfalls. Da er gerade jetzt Unterstützung braucht. Da ist solch einflussreiche Unterstützung mehr als willkommen. Eben ein Geschäft, aus dem beide Seiten profitieren.

Übersetzung: Christine Christov



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