Der Frühling bringt den Menschen Freude und Hoffnungen. In Bulgarien besitzt der traditionelle Frühlingsbeginn am 1. März aber ein konkretes Symbol – die Martenitza; das sind die rot-weißen Quasten, mit denen man sich gegenseitig beschenkt und an die Kleidung anheftet oder am Handgelenk trägt. Dieser Brauch stammt aus tiefster Vergangenheit, ist aber bis auf den heutigen Tag überaus lebendig und gehört zu den schönsten bulgarischen Traditionen.
Die Martenitzi, auf Deutsch in etwa „Märzchen“, bestehen traditionell aus roten und weißen Wollfäden, die zu Kordeln gedreht werden und entweder Quasten aufweisen oder in Form von zwei kleinen Figuren verarbeitet werden, die ein Mädchen und einen Jungen darstellen. Mit den Jahren sind weitere Farben und Formen hinzugekommen; häufig werden Glasperlen und dergleichen eingearbeitet.
In der Martenitza sahen unsere Vorfahren einen Talisman, der sie vor Unheil und bösen Geistern bewahren und Glück und Gesundheit bringen sollte. Selbst heute ist man davon überzeugt, dass sie nicht bloß ein Frühlingssymbol ist, sondern tatsächlich das ganze Jahr über Gesundheit spendet. Man glaubt vor allem an die magische Kraft der roten Farbe; das Weiß symbolisiert hingegen die Reinheit und Unschuld. Die Martenitzas sind in allen ethnisch bulgarischen Gebieten verbreitet, also auch jenseits der heutigen Landesgrenzen, wie in Albanien, Mazedonien, in Ost-Serbien, im Süden Rumäniens und in Moldawien, wie auch im Norden Griechenlands.
Das Architektur- und ethnographische Freilichtmuseum „Etara“ bei Gabrowo in Mittelbulgarien veranstaltete auch in diesem Jahr einen landesweiten Wettbewerb für die Anfertigung von Martenitzas. Bewertet wurde in drei Kategorien: thematische Sammlung, authentisches Aussehen und originellste Anfertigung. Laut Blagowesta Boschinowa, Kuratorin des Freilichtmuseums, steige das Interesse an diesem Wettbewerb von Jahr zu Jahr. Zu dieser Ausgabe haben sich nahezu 90 Teilnehmer gemeldet und rund 120 Martenitzas vorgestellt.
„Die Teilnehmer kamen aus allen Landesteilen“, erzählt die Museumsmitarbeiterin. „Die Martenitzas selbst werden nun in einer Sonderausstellung den ganzen März über gezeigt. Viele der Teilnehmer haben auf die Traditionen gesetzt; es sind aber auch viele innovative Ideen vorgestellt worden. Es wurde sogar eine Torte in Form einer Martenitza präsentiert. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es wird aber auch gern auf traditionelle Elemente zurückgegriffen, wie Spindel und Kürbis.“
An dem Wettbewerb beteiligen sich Bulgaren aller Altersgruppen. Man kann nicht sagen, ob die Erwachsenen oder die Kinder überwiegen.
„Kinder aus einem Kindergarten in der bulgarischen Schwarzmeerstadt Burgas haben ein ganzes Bild gestaltet, dass sie „Oma März zu Gast in Gabrowo“ nannten. Es handelt sich um eine ganze Sammlung von Martenitzas, die ein Bild ergeben – eine Wiese voller Störche und Puppen und natürlich Martenitzas. Eine Oma aus dem Dorf Nowa Tscherna in der Nähe der Stadt Tutrakan in Nordostbulgarien stellte gestrickte Martenitzas vor – von Puppenkleidung bis hin zu modischen Accessoires. Sie leitet übrigens das Kulturhaus in diesem Dorf, mit dem wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Sie sorgt dafür, dass das Interesse an diesem Wettbewerb wach gehalten wird.“
Nachdem die ersten Zugvögel, wie Storch und Schwalbe, in Bulgarien eintreffen, werden die Martenitzas an einen Obstbaum angebunden. Das symbolisiert den Übergang von der kalten zur warmen Jahreszeit.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: Architektur- und ethnographische Freilichtmuseum „Etara“ Gabrowo
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