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Aufregung und Empörung bei der Spaltung der Türkenpartei

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Foto: BTA

Rund vier Monate nach dem Ausschluss aus der Türkenpartei DPS hat der frühere Parteichef Lütvi Mestan seine eigene Partei gegründet. Am Sonntag haben ihn die etwa 1000 Delegierten zum Vorsitzenden der Partei „Demokraten für Verantwortung, Freiheit und Toleranz“, kurz DOST, gewählt. Auf dem Gründungsparteitag ließ es sich der abgesetzte Türkenparteichef Mestan nicht nehmen, seine frühere Partei anzugreifen. Sie sei liberal nur auf dem Papier und der DPS-Vorstand habe die bulgarischen Interessen der Korruption, Oligarchie und prorussischen Interessen geopfert. Mestan ging sogar weiter und warf den bulgarischen Institutionen vor, privaten Interessen und Oligarchen zu bedienen.

Die Kritik des beleidigten Lütvi Mestan an seine frühere Partei war zu erwarten und hat daher weniger beeindruckt. Dafür aber beeindruckte die Gästeliste des Gründungsparteitags einer neuen bulgarischen Partei. Allen voran der türkische Botschafter in Sofia, begleitet von führenden Politikern aus dem Nachbarland. Allein diese Tatsache ist ein Ausdruck der Respektlosigkeit, denn Lütvi Mestan gilt in Bulgarien als Strohmann der politischen Elite in der benachbarten Türkei. Für Aufsehen, ja Empörung, sorgte die Ansprache des stellvertretenden Vorsitzenden der türkischen Partei für nationale Bewegung beim Gründungsparteitag von Mestans DOST-Partei, der wörtlich sagte: „Wo immer unsere Muttersprache gesprochen wird, die türkische Sprache, dort ist auch unsere Heimat“, Zitatende. Aus dieser Aussage ist unzweideutig zu entnehmen, dass es sich bei DOST um eine ethnische Partei handelt, was wiederum die bulgarische Verfassung untersagt.

Als erste und bisher einzige hochrangige bulgarische Politikerin reagierte Vizepräsidentin Margarita Popowa. Sie warf der bulgarischen politischen Elite vor, einschließlich dem Staatsoberhaupt, dessen Stellvertreterin sie ist, dass sie nicht reagiert hat. Geschwiegen hat auch das Außenministerium. Die nationalistische Parlamentspartei WMRO forderte das Gericht auf, die neue DOST-Partei nicht eintragen zu lassen, denn dabei handele es sich offensichtlich um ein politisches Subjekt, das fremden Interessen dient. Und weiter kommentierten die Nationalisten, die neue Partei von Lütvi Mestan wolle ein mazedonisches oder gar bosnisches Modell in Bulgarien durchsetzen und die bulgarische Gesellschaft nach ethnischem und religiösem Prinzip spalten.

Die Gründung der neuen Partei wird auch innenpolitischen Auswirkungen haben. Parteichef Mestan erklärte am Sonntag, mit seiner neuen Formation beginne das Ende der Türkenpartei DPS. Es liegt auf der Hand, dass auch die DOST, was übrigens auf Türkisch „Freund“ bedeutet, die türkische und moslemische Minderheiten in Bulgarien als Zielgruppe hat. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup International hat eine Umfrage durchgeführt und dabei festgestellt, dass noch vor der offiziellen Gründung der DOST-Partei ein Viertel der traditionellen Wähler der Türkenpartei für die neue Formation abstimmen würde, wären am Sonntag Parlamentswahlen. Bei den letzten Parlamentswahlen Ende 2014 zog die traditionelle Türkenpartei DPS mit 14,8 Prozent als drittstärkste Kraft ins Parlament ein. Geht die Rechnung von Lütvi Mestan auf, dann darf er durchaus mit dem Einzug ins Parlament rechnen. Mehr noch – seit der Wende spielt die traditionelle Türkenpartei die Rolle des Züngleins an der Waage im politischen Leben Bulgariens. Damit ist vermutlich Schluss – die neue Türkenpartei beansprucht diese Rolle für sich.

Lütvi Mestan ist alles andere, als ein kurzsichtiger Politiker. Er erklärte Anfang der Woche, seine Partei räume mit vielen geopolitischen, oligarchischen und korporativen Interessen auf und werde deshalb feindlich aufgenommen. Trotzdem glaube er nicht, dass seine Partei in der politischen Isolation der außerparlamentarischen Kräfte bleiben werde. Stattdessen erwarte er, dass seine DOST-Partei als eine Partei der Reformen ein heiß begehrter Partner sein werde. Mal schauen.

Deutsche Fassung: Vessela Vladkova



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