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Was nicht illegal ist, ist nicht unbedingt moralisch

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"Gesetz über die wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zu Gesellschaften, die in Jurisdiktionen mit präferenziellen Steuernsystemen registriert sind, zu Personen, die mit ihnen in Verbindung stehen und zu ihren tatsächlichen Eigentümern" – so nennt sich das bulgarische Gesetz, das alle der Einfachheit halber "Offshore-Gesetz" nennen. Das Thema ist in den letzten Wochen besonders brisant geworden. Die Enthüllungen der PanamaPapers bewegen die Welt und die Welle der Entrüstung gegen Steuerhinterziehung und unlautere Geschäfte hat auch Bulgarien überschwemmt. In der Presse tauchten die Namen von einflussreichen Wirtschaftsbonzen, die ohnehin nicht gerade als Saubermänner galten. Die PanamaPapers haben lediglich den Beweis dafür geliefert.

Hierzulande spürt man aber auch ganz deutlich, dass die Enttäuschung von den Enthüllungen fast größer ist, als die Entrüstung. Es kamen sogar Zweifel auf, wie weitreichend die journalistischen Recherchen sind, denn in den bisher veröffentlichten Namenslisten taucht kein einziger bulgarischer Politiker auf. Noch nicht. Die Arbeit an den beispiellos umfangreichen Daten von Millionen von Seiten geht weiter. Wer weiß, vielleicht findet sich bald der eine oder andere heimische Politiker in einem Zeitungsartikel wieder. Dass die heimische Politelite Dreck am Stecken hat, bezweifelt nämlich in Bulgarien niemand.

Was die Offshore-Geschäfte betrifft, so kommt nicht zum ersten Mal heraus, wie groß und einflussreich sie in der Weltwirtschaft und Weltpolitik sind. Etwa 40 Prozent der Weltwirtschaft findet nämlich in solchen Steueroasen statt. Und auch von der Summe, die dort umgeschlagen wird, wird einem schwindlig: 30 Trillion Dollar! Zugang zu diesen Steueroasen haben allerdings nur die reichsten Erdbewohner. Sie machen ein Prozent der Erdbevölkerung aus, genießen aber Vorteile, von denen Ottonormalverbraucher nur träumen könnte. Eine ungemeine Ungerechtigkeit. Sollte man sich 30 Trillion Dollar nicht vorstellen, dann wäre vielleicht ein anderer Vergleich besser angebracht. Das Loch im griechischen Staatshaushalt, das wir alle stopfen, macht gerade mal ein Drittel der EU-weit hinterzogenen Steuer aus. Das gibt zu denken.

Und so krempelte die Europäische Kommission die Ärmel hoch und machte sich an ein neues Regelwerk für die Offshore-Zonen. Im Kampf gegen Steuervermeidung will die EU-Kommission Großkonzerne zur Offenlegung ihrer Geschäfte in Mitgliedsländern und Steueroasen verpflichten. Die neuen Vorschriften sollen für alle Firmen gelten, die in der EU aktiv sind und einen Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro aufweisen. Nach EU-Schätzungen müssten rund 6000 Konzerne die Informationen auf ihren Internetseiten öffentlich machen. Ziel der EU-Kommission ist es, dass sich Unternehmen nicht mehr legal vor Steuerzahlungen drücken können, indem sie ihre Gewinne Tochterfirmen in EU-Staaten wie Luxemburg oder Irland zuschreiben, obwohl der Mutterkonzern dort kaum aktiv ist. Zwar müssen börsennotierte Unternehmen schon jetzt umfassende Geschäftsberichte veröffentlichen. Nach Ansicht der EU-Kommission sind die Angaben bisher aber vor allem aufgrund der Aktivitäten von Tochterfirmen unübersichtlich und schwer nachvollziehbar. Die Vorschläge, die noch mit dem EU-Parlament und den Mitgliedsländern abgestimmt werden müssen, wurden schon seit Monaten ausgearbeitet. Als Reaktion auf die Enthüllungen der PanamaPapers zur Nutzung von Briefkastenfirmen in Mittelamerika weitet die EU-Kommission die geplante Regelung nun auch auf Firmengeschäfte in Steueroasen aus. Allerdings müssten sich die EU-Staaten dafür zunächst auf eine gemeinsame Liste einigen, welche Länder sie außerhalb der Union als Steueroasen brandmarken wollen. Anläufe für solch einen einstimmigen Beschluss sind in der Vergangenheit stets gescheitert. Ob diesmal eine Einigkeit erzielt wird? Wohl kaum.

Da ist – man staune – Bulgarien einen Schritt voraus. Seit 2014 gilt nämlich hierzulande ein entsprechendes Offshore-Gesetz, das Firmen aus Steueroasen verbietet, Geschäfte mit dem Staat abzuschließen. Als explizit empfindlich sind Medien, Rentenversicherungen, Banken u.ä. aufgelistet. Gegen diese Einschränkung hatte übrigens die EU-Kommission Bulgarien kritisiert, dadurch beschränke man den freien Kapitalverkehr. Dieses Gesetz soll nun aber geändert werden und das Parlament in Sofia wartet auf die Vorschläge der EU-Kommission. Denn nach den Enthüllungen der PanamaPapers sei deutlich geworden, dass man in der EU eine gemeinsame, einheitliche Regelung für alle 28 Mitgliedsstaaten brauche. Luxemburg und Irland mitgezählt.

Die Offshore-Geschäfte mögen nicht illegal sein, sie sind aber nicht gerade moralisch. Dieser Krebsgeschwulst wird uns wohl noch lange beschäftigen. Zum wiederholten Male wurde deutlich, dass die Behörden nicht miteinander kooperieren, und zwar diesmal nicht nur in Bulgarien, sondern EU-weit. Denn Enthüllungen über in Steueroasen geparkte Millionen gab es auch früher, und nach den journalistischen Veröffentlichungen stellte sich heraus, dass auch die Behörden über die der Presse zugespielten Daten verfügt hatten. Gegen Steuerhinterziehung und Finanzierung von dubiosen Geschäften ist aber nur in Einzelfällen vorgegangen.



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