Bulgarien ist das Land in Osteuropa, das seine kommunistische Vergangenheit am langsamsten und schwierigsten abstreift. Das zumindest behaupten in- und ausländische Beobachter. Trotz der wachen Erinnerungen an Unfreiheit, fehlenden Pluralismus, aufgezwungene falsche Moral und die kompromisslose Gewalt gegenüber Andersdenkenden behaupten bis heute nicht wenige, dass es ihnen damals besser gegangen sei und es in jener Zeit billiger, sicherer und ruhiger war. Wie teuer ihnen diese „Sicherheit“ zu stehen gekommen sei, ist eine Frage, die sie lieber unbeantwortet lassen.
Genau auf diese Fragen sollten jedoch bereits in der Schule Antworten gesucht werden. Um zu begreifen, wie die Eltern gelebt haben und weil man aus der Vergangenheit lernen kann. Um dieses Thema ging es auch auf der Konferenz „Wissen und Werte – (Nicht)Vermittlung von Wissen über totalitäre Regime an bulgarischen Schulen“, die am Montag in Sofia stattfand. Weitere Einzelheiten über die Beweggründe für diese Konferenz erfahren wir von ihrem Mitorganisator – dem Journalisten Hristo Hristow:
„Zunächst einmal setzt sich unsere Stiftung ‘Wahrheit und Gedächtnis’ seit langem mit der totalitären kommunistischen Vergangenheit auseinander“, meint Hristo Hristow. „Jetzt bündeln wir über die Bürgerorganisation unsere Anstrengungen, um nicht mitschuldig an der Fälschung der bulgarischen Geschichte zu sein. Genau das tun die Behörden mit ihrem Schweigen der letzten Jahre. Wir wollen, dass die Jugend weiß, was in der Vergangenheit passiert ist und die Bildungsreform endlich vorankommt“, so der Journalist Hristo Hristow.
Auf ihrem Treffen mit Bildungsministerin Meglena Kunewa im Vormonat legten die Vertreter der Stiftung “Wahrheit und Gedächtnis” eine Liste mit grundlegenden Fakten und Prozessen aus der kommunistischen Ära vor, die ihrer Meinung nach in die Geschichtslehrbücher aufgenommen werden müssen. Darunter die drei Staatspleiten, die Einführung von Zuzugsgenehmigungen, die totale Medienkontrolle und fehlende Meinungsfreiheit und die Beschlagnahmung von Privateigentum. Man einigte sich darauf, dass das Thema Kommunismus an den Schulen vermittelt werden muss. Aus unerklärlichen Gründen glänzte das Bildungsministerium auf dieser Konferenz durch Abwesenheit, d.h. jene, die für die Aufnahme dieses Geschichtsabschnitts in die Lehrbücher verantwortlich sind, waren nicht zugegen.
Es gäbe keinen einheitlichen Standpunkt über unser Land in jenen 45 Jahren, kontern die Gegner dieser Idee. Für die einen habe dieses Regime Terror, Erniedrigung und Unterdrückung bedeutet, für die anderen – ein beschauliches, geordnetes und planbares Leben. Eine 2014 anlässlich des 25. Jahrestages des Endes des Kommunismus erhobene Studie belegt, dass 55% der Bulgaren dem kommunistischen Staatschef Todor Schiwkow eher positiv gegenüberstehen.
Dieses Thema griff auch der EU-Abgeordnete Andrej Kowatschew in der Diskussion auf:
„Die Geschichte darf weder links- noch rechtsgerichtet sein. Sie muss sich an die historischen Fakten halten“, erklärt der EU-Abgeordnete. „Man hat mich nach den guten Seiten des Kommunismus gefragt, da ja nicht alles schlecht gewesen sei... Selbstverständlich gab es in jener Zeit für jeden von uns auch glückliche Augenblicke. Diese sind jedoch nicht mit Dankbarkeit gegenüber der kommunistischen Partei erfüllt, sondern mit dem Privatleben jedes einzelnen verbunden. Mit Sicherheit finden sich auch Leute, die unter Adolf Hitler in Deutschland eine gute Zeit hatten. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Element die Gräueltaten dieses Regimes löschen kann. Das Abschneiden Bulgariens, der wirtschaftliche Zusammenbruch, das mehrfache Abtreten Bulgariens als 16. Sowjetrepublik. Auch der Verrat an Mazedonien kann nicht ausgelöscht werden, der Verrat an unseren Landsleuten dort und in der Pirin-Gegend...“
Die Diskussionsteilnehmer einigten sich um die These, dass dem Nachwuchs das erforderliche Wissen um unsere nahe Vergangenheit vermittelt werden müsse. Nur so könne die neue Generation erzogen werden und aktiv und gebildet aufwachsen. Alles andere berge das Risiko, dass ein Teil der Fehler des Kommunismus wiederholt wird.
Übersetzung: Christine Christov
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