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Marienbildnisse in der orthodoxen Ikonographie

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"Maria Hodigitria mit Propheten", Ikone aus dem 16. Jahrhundert, Nessebar
Foto: pravoslavieto.com

Am 8. September feiern die Christen auf der Welt die Geburt der Jungfrau Maria. Wir wollen dieses Fest zum Anlass nehmen und etwas mehr über die Marienbildnisse in der orthodoxen Ikonographie Bulgariens erzählen. Fachkundige Auskunft gab uns Wladislawa Kasmakowa. Sie arbeitet als Kuratorin in der Krypta der hauptstädtischen Kathedrale „Hl. Alexander Newski“, die die wohl reichste Ikonensammlung Bulgariens beherbergt.

СнимкаDie Krypta der Alexander-Newski-Kathedrale zeigt die verschiedensten Typen von Gottesmutterbildern. Eine der Marien-Ikonen ist ihrer Geburt gewidmet. Die Gottesmutter mit einem Heiligenschein liegt eng umwickelt mit Windeln in einer Wiege vor einer festlich gedeckten Tafel, an der auch ihre Eltern, die Heiligen Anna und Joachim, sitzen. Solche Ikonen findet man in allen Kirchen Bulgariens. Es gibt aber auch Ausnahmen in diesem Darstellungstyp:

„Hierbei fehlt die Wiege vor der Tafel und die kleine Gottesmutter ist auf einer Ikone zu sehen, die ihre Mutter, die heilige Anna, in den Händen hält und den anwesenden Gästen zeigt“, erzählt Wladislawa Kasmakowa, Kuratorin der Ikonensammlung in der Krypta der Kathedrale „Hl. Alexander Newski“ in Sofia. „Die zweite Besonderheit ist der rote Heiligenschein. Der roten Farbe kommt in der Ikonographie eine besondere Bedeutung zu – sie besitzt einen ausgesprochen starken Schutzcharakter. Sie ersetzt die grüne Farbe, die bis zum 10. Jahrhundert den Sieg des Lebens über den Tod symbolisierte und für den hohen Rang des dargestellten Heiligen im Himmelreich stand. Der Ikonenmaler wollte mit dem roten Heiligenschein vermitteln, dass Maria bereits mit ihrer Geburt zu einer wichtigen Mission auserkoren war – sie muss den Heiland gebären, der seinerseits sein Leben opfert, um unsere Seelen zu erlösen. Aus diesem Grund schaut die Muttergottes auf allen Ikonen sehr ernst und konzentriert. Obwohl sie von Gott gesegnet ist, hat sie kein leichtes Schicksal. Und darin unterscheidet sich die orthodoxe Ikonographie von den Marienbildnissen der katholischen Kirche. Dort wird sie in blauen Gewändern dargestellt, die ihren hohen Rang symbolisieren. Außerdem ist sie häufig im Spiel mit dem Jesusknaben vertieft, so dass die Mutterfreuden gezeigt werden. In der orthodoxen Ikonographie hingegen sind die tiefen Muttergefühle leidgeprägt. Der leidvolle Ausdruck im Antlitz Mariens soll darauf hinweisen, dass sie die in der Zukunft liegende Passion bereits voraussehen kann.“

Mariä Geburt - zwei Ikonen aus Weliko Tarnowo, 19. JahrhundertIn der orthodoxen Kirche trägt die Muttergottes zweifarbige Gewänder in Rot bis Dunkelbraun und Blau. Die rote Farbe steht für die Beziehungen Marias zu den gewöhnlichen Frauen. Es ist die Farbe der Weiblichkeit und der Mutterschaft. Die blaue Farbe hingegen symbolisiert das Leid und die Trauer. Nur der Gottesmutter ist es gestattet, rote Schuhe zu tragen, selbst während der Kreuzigung, was ihre besondere Stellung im Himmelreich hervorhebt.

Die bekanntesten Darstellungstypen der Gottesmutter entstanden in Byzanz nach dem Bilderstreit des 8. und 9. Jahrhundert. Der älteste Typ heißt „Maria Orans“ oder kurz „Oranta“, griechisch Blacherniotissa (übersetzt „betende Maria“). Sein Urbild befand sich im Blachernen-Palast der Oströmischen Kaiser in Konstantinopel. Die Gottesmutter Maria ist als Betende in der sogenannten „Orantenhaltung“ dargestellt und bittet bei Gott für die zu ihren Füßen dargestellten Stifter oder die Betrachter und segnet sie gleichzeitig. Ikonen dieses Typs werden stets im Ostteil der orthodoxen Kirchen gemalt oder aufgestellt. Der weitverbreitetste Darstellungstyp ist jedoch die „Maria Hodigitria“ (übersetzt „Wegweiserin“). Warum, erzählt uns die Kuratorin Wladislawa Kasmakowa:

Maria Hodigitria - Ikone aus dem 15-16 Jahrhundert, Marienkirche von Sosopol und Maria Hodigitria aus dem Jahre 1775, Rila-Kloster.„In der Darstellung der „Hodigitria“ trägt Maria auf dem linken Arm das segnende Jesuskind und weist mit der rechten Hand auf ihn. Jesus selbst sitzt in Thronhaltung auf ihrem Arm und hält häufig eine Schriftrolle in der linken Hand. Damit wird das Jesuskind als das fleischgewordene Wort Gottes gekennzeichnet. Jesus ist den Proportionen nach als Kind dargestellt, besitzt aber oft die Gesichtszüge eines erwachsenen Mannes. Laut den orthodoxen Darstellungsvorschriften besitze Jesus kein Alter und sein Gesicht müsse die Weisheit symbolisieren. Er ist ewig, auch wenn er nur kurze Zeit unter den Menschen verweilt. Das Gewand der Gottesmutter ist mit drei Sternen geschmückt, die ein Dreieck bilden (ein Stern befindet sich auf dem Kopftuch und die anderen beiden jeweils auf den Schultern). Damit wird ihre Unbeflecktheit und gleichzeitig Mutterschaft zum Ausdruck gebracht. Und dennoch tritt sie in dieser Darstellung unmerklich zurück, denn Jesus hat bereits die Funktion als Segnender übernommen, während seine Mutter lediglich auf Ihn zeigt, der als Kindgestalt den erlösenden Weg versinnbildlicht.“

СнимкаEine weitere interessante Marien-Darstellung heißt „Eleusa“,  (übersetzt „Mitleidende“, „Barmherzige“). Ikonen dieser Art werden vor allem von den Frauen verehrt, die um Kindersegen bitten.

„Es ist eine Ikonendarstellung, bei der Jesus seine Mutter umarmt, während sie sich liebevoll dem Kind zuwendet, es oft mit der linken Hand berührt und die Gesichter aneinander geschmiegt sind. Dadurch soll die innige Beziehung zwischen den beiden deutlich sichtbar werden“, erzählt Wladislawa Kasmakowa. „Das ist die einzige Mariendarstellung, in der ein leises Lächeln angedeutet sein darf. Ikonen dieser Art sind vor allen in Russland weit verbreitet und werden hoch verehrt, weil viele von ihnen als wundertätig gelten. Häufig wird dabei Maria mit drei Händen dargestellt (verdoppelt wird ihre rechte Hand). Damit will man zum Ausdruck bringen, dass wenn man jemanden liebt,  zwei Hände nicht ausreichen, um ihn zu umarmen.“

Eine der bekanntesten „dreihändigen Marienikonen“ in Bulgarien befindet sich Kloster von Trojan. Die Verdopplung bestimmter Details ist in der Ikonographie keine Seltenheit. Solchen Ikonen wird eine stärkere Wunderkraft nachgesagt – das Gebet sei zweimal erfolgreicher.

Maria „Unverwelkliche Rose“, Zograf Dimitar, 1703„Nehmen wir zum Beispiel den Ikonentyp „Unverwelkliche Rose“,“ setzt die Kuratorin ihre Erläuterungen fort. „Bis in das 10. Jahrhundert hinein hatte in der orthodoxen Ikonographie noch jeder Heilige seine spezifischen Symbole, die an Stelle des Heiligenbildes traten. Das ist als Überbleibsel aus der Zeit der Christenverfolgungen zu erklären, als man stärker des Schutzes bedufte und nicht öffentlich als Christ in Erscheinung treten konnte. Die Rose ist ein uraltes Symbol. In heidnischer Zeit war es die Blume der Göttin Aphrodite. Im Jahre 843 entschied man, dass die Heiligen nur noch in Menschengestalt darzustellen sind, da die Symbole zu sehr an die heidnischen Religionen erinnern würden. Eine Ikone vom Typ „Unverwelkliche Rose“ ist auch bei uns in der Krypta der Alexander-Newski-Kathedrale zu sehen. Sie stammt aus dem Jahre 1703. Die Gottesmutter hält das Jesuskind auf dem Schoß – sie selbst sieht aber königlicher aus, trägt eine Krone auf dem Haupt und hält eine Rose in der Hand. Die Krone ist auf einen Einfluss des europäischen Barocks auf die bulgarische Ikonenmalerei zurückzuführen. Auch die Anrede ist ungewöhnlich – anstatt „Königin des Himmelreichs“ - „Herrin über das Leben“. Die Verdopplung betrifft in diesem Fall Maria selbst – einmal in Menschengestalt und einmal als ihr Rosensymbol. Das verwandele die Ikone sofort in ein wundertätiges Bild.“

СнимкаEine weitere Muttergottesdarstellung ist die „thronende Maria“:

„Dieses Bildnis kann man leicht von den anderen unterscheiden. Dabei sitzt Maria auf einem Thron, das segnende Jesuskind auf ihrem Schoß haltend“, erzählt uns Wladislawa Kasmakowa, Kuratorin der Ikonensammlung in der Krypta der Kathedrale „Hl. Alexander Newski“ in Sofia. „Dieser Ikonentyp hat stets einen bildlichen Rahmen, in dem zwölf Propheten dargestellt sind. Jeder der Propheten hält eine Schriftrolle in den Händen, die seine Prophezeiungen in Verbindung mit der Gottesmutter enthält. Jedem ist sie im Traum auf andere Weise erschienen: als Berg, Himmelspfeiler, Schatztruhe, Leuchter usw. Wir sind im Besitz einer solchen Ikone, die im Jahre 1703 im Balkanstädtchen Trjawna gemalt worden ist. Auch hier sind Verdopplungen zu sehen. Neben der Darstellung eines jeden Propheten ist auch der Gegenstand zu sehen, als welchen die Gottesmutter erschienen ist. Obwohl das recht ungewöhnlich ist, war es für die Menschen von einst, von denen viele nicht lesen und schreiben konnten, sehr hilfreich. Sie konnten problemlos erkennen, was die Propheten im Traum gesehen haben.“

Übersetzung: Wladimir Wladimirow



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