In den letzten zehn Tagen war eine Mission des Internationalen Währungsfonds unter Leitung von Reza Baqir in Bulgarien. Sie sollte prüfen, wie es um die bulgarische Wirtschaft bestellt ist, wie die Banken beim Stresstest abgeschnitten haben, wie die Reformen und die Bekämpfung von Schattenwirtschaft und Korruption vorankommen und wie es um die öffentlichen Finanzen steht. Überhaupt wollten sich die Experten ein vollständiges Bild von Bulgariens Wirtschaft und Finanzen machen.
Solche Prüfungen sind nichts Außergewöhnliches. Sie gehören, was die Beziehungen zu den Staaten aus der s.g. Gruppe der Entwicklungsmärkte betrifft, zum Alltag des Internationalen Währungsfonds. Ganz offensichtlich gehört Bulgarien nach wie vor zu den Ländern, die einer gewissen Kontrolle bedürfen, obwohl unser Land Mitglied des Prestigeklubs der Reichen ist, wie die Europäische Union zuweilen genannt wird.
Die Inspekteure aus Washington wurden von der bulgarischen Regierung freundlich und mit offenen Armen empfangen - ohne jegliche diplomatische Versuche, den Stolz und die Genugtuung über die erzielten Ergebnisse zu verbergen. In der Tat bescheinigen sowohl Politiker als auch Beobachter, Wirtschaftsexperten und internationale Forschungszentren, dass die bulgarische Wirtschaft derzeit sehr gut aufgestellt ist, auf vollen Touren läuft und bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Davon überzeugten sich auch die Fondsexperten während ihrer Visite in Sofia. Sie korrigierten die Wachstumsprognose für das laufende Haushaltsjahr von 2,3 auf drei Prozent nach oben. Im Vergleich zum internationalen Durchschnitt von deutlich über drei Prozent mag diese Zahl bescheiden anmuten. Europaweit steht Bulgarien damit aber keinesfalls schlecht da, zumal mehrere EU-Staaten nach wie vor mit den Folgen der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 zu kämpfen haben.
Diese Bewertung sorgte bei der bulgarischen Regierung für Genugtuung. Auch weil die bulgarische Wirtschaft vom IWF, der Weltbank und der Europäischen Union permanent kritisiert wird. Dabei sollte man nicht außer Acht lassen, dass Bulgarien die schwächste Volkswirtschaft der Gemeinschaft ist, was in hohem Maße auf dem Unvermögen und Widerwillen der Regierung fußt, die so nötigen und gleichzeitig schmerzhaften Strukturreformen durchzuziehen. Aber auch auf der weit verbreiteten und allumfassenden Korruption, die eng mit der schlagkräftigen Schattenwirtschaft verbunden ist.
Genau so fiel auch das Fazit des Internationalen Währungsfonds aus. Die Mission erkannte die erzielten Ergebnisse an, kühlte die Leidenschaft jedoch gleichzeitig mit deutlich nüchternen Prognosen ab und ließ damit die Wirtschaftseuphorie etwas abflauen. Bisher läuft alles gut, so das Momentfazit des Fonds. Mittelfristig müsse die bulgarische Wirtschaft jedoch mit Problemen rechnen.
Für die nächsten Jahre geht der IWF von einer Verlangsamung des Wachstums auf bis zu 2,5 Prozent aus. Die Gründe: erstens seien wichtige Strukturreformen noch nicht angelaufen oder würden nicht zu Ende geführt. Zweitens werde sich der Fachkräftemangel verstärken. Die Bildung sei weder auf dem erforderlichen Niveau, noch genüge sie den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Zudem wanderten die besten Fachkräfte auf der Suche nach besseren Arbeits- und Lebensbedingungen ins Ausland ab, wogegen geringqualifizierte und unmotivierte Arbeitskräfte mit elementaren Fähigkeiten und Kompetenzen in Bulgarien blieben. Als weiteres Problem wird die ungleichmäßige Entwicklung der Regionen des Landes genannt. In der Tat gibt es eine Kluft zwischen regionalen Wirtschaftskolossen und Regionen, in denen sich die Geschäfte auf einen Tante-Emma-Laden beschränken. Mit diesen Ungleichgewichten geht eine immense Schattenwirtschaft einher, die weder Versicherungsbeiträge noch Steuern abführt. Den krönenden Abschluss macht die Korruption auf allen Ebenen, was ehrliche Unternehmen entmutigt und benachteiligt und darüber hinaus den freien Wettbewerb verzerrt. Dass das ein solides und nur sehr schwer zu bekämpfendes Problem ist, belegt die Tatsache, dass das ersehnte neue Antikorruptionsgesetz seit über einem Jahr an der Parlamentshürde scheitert.
Übersetzung: Christine Christov
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