Der Bau der Gastrasse, die in Südbulgarien zur benachbarten Türkei führt, stellt weniger die Ingenieure vor Herausforderungen, als vielmehr die Archäologen, die mit Rettungsgrabungen alle Hände voll zu tun haben. Seit fast zwei Jahren erforscht ein großes Ausgrabungsteam unter Leitung von Dr. Stefan Alexandrow und Dr. Anelija Boschkowa vom Nationalen Archäologischen Institut an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften interessante Kultstätten aus der Jungsteinzeit. Es ist eine Periode von rund 8.000 Jahren, die Ende des 6. vorchristlichen Jahrhunderts endete. Als besonders aufschlussreich haben sich die Kulturschichten aus der späten Jungsteinzeit, dem Übergang zur Bronzezeit, der mittleren Bronzezeit und der klassischen thrakischen Zeit erwiesen. Die Wissenschaftler sind mit den Ergebnissen ihrer Grabungen sehr zufrieden und wollen sie nun veröffentlichen, was im Laufe dieses Jahres geschehen soll.
„Es handelt sich um ausschließlich Rettungsgrabungen und nicht um speziell geplante Ausgrabungsarbeiten“, betonte zu Beginn unseres Gespräches Dr. Stefan Alexandrow. „Ein Großteil der Dinge, die wir entdeckt haben, sind für uns wie eine Gabe Gottes“, meint der Archäologe. „Wir stießen auf eine Nekropole aus der sogenannten Übergangsperiode zur Bronzezeit, die in den Beginn des 4. vorchristlichen Jahrtausends datiert wird. Diese Periode ist in Bulgarien nur wenig erforscht. Jene Zeit hängt mit dem Erscheinen der ersten Indoeuropäer auf der Balkanhalbinsel und in Südosteuropa als Ganzes zusammen. Wir haben sechs einzelne Nekropolen erforschen können. Parallel dazu läuft auch unsere Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. Genetiker dieser Forschungseinrichtung sind den ersten Indoeuropäern auf unserem Kontinent auf der Spur.“
Die in Bulgarien entnommenen DNA-Proben werden gegenwärtig am Max-Planck-Institut analysiert. Es wird die Vermutung geäußert, dass die Menschen, die vor Jahrtausenden in der Nähe des heutigen Dorfes Malenowo nahe der Stadt Jambol in Südostbulgarien gelebt haben, mit die ersten Indoeuropäer verwandt waren. Doch noch ist es nur eine Hypothese. Welche Funde sind besonders hervorzuheben, fragten wir weiter den Archäologen.
„Unsere Funde werden die meisten Menschen wohl kaum sonderlich in Erregung versetzen“, meint Dr. Stefan Alexandrow. „Wir unsererseits sind glücklich, weil es Tausende und Abertausende Funde sind, die den Museumsbesuchern eher gewöhnlich erscheinen. Die entdeckten Gegenstände haben unsere Vorstellungen über die Entwicklung der materiellen Kultur in den betreffenden Epochen untermauert. Die Archäologie bringt nicht einzig Dinge ans Tageslicht, die dann in den Museumsvitrinen die Blicke auf sich ziehen. Wir erforschen die Vergangenheit anhand dieser Tausenden Überbleibsel menschlicher Tätigkeit. Der Großteil wandert in die Depots und wird nicht ausgestellt. Die interessantesten Funde, auf die wir in der vergangenen Grabungssaison gestoßen sind, werden nach eingehenden Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen in der Jahresausstellung im Februar in den Räumlichkeiten des Nationalen Archäologischen Museums in Sofia gezeigt werden“, sagte abschließend der Archäologe Dr. Stefan Alexandrow.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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