Am 22. September 1908 wurde die Unabhängigkeit Bulgariens ausgerufen. Nach dem kühnsten Unabhängigkeitsakt in der bulgarischen Geschichte - der Vereinigung von Ostrumelien und dem Fürstentum Bulgarien - bewiesen die Bulgaren erneut die Stärke der Einheit und den Glauben an ihre eigene Kraft.
Dieser Tag wird als offizieller Staatsfeiertag begangen und ist ein Symbol für die Änderung des internationalen Rechtsstatus Bulgariens. Er zeigt die Umwandlung Bulgariens von einem Vasallen der Türkei in einen freien und souveränen Staat.
Jedes Jahr entdecken wir die enorme Bedeutung dieses denkwürdigen Tages in der Geschichte neu und versuchen, ihn mit den anderen Daten zu vergleichen, die als Symbole für das wiedergeborene Bulgarien nach fünf Jahrhunderten türkischer Fremdherrschaft gelten.
Historiker führen uns durch das komplexe Geflecht von Fakten, Ereignissen, Persönlichkeiten und weltpolitischen Prozessen.
„Der Unabhängigkeitstag ist einer der wichtigsten Feiertage für die Bulgaren, denn es ist der Tag der Erlangung der vollen Staatlichkeit“, sagte der Historiker Prof. Dr. Nikolaj Kanew, stellvertretender Rektor für Forschung und künstlerische Tätigkeit der Universität „Hl. Nikolaus“ in Weliko Tarnowo. Wir unterhielten uns mit ihm über den Wert dieses Festes, nach dem sich unsere Vorfahren so sehr gesehnt haben:
„Das Datum der Befreiung Bulgariens von der fünfhundertjährigen osmanischen Herrschaft steht im Vordergrund des Massenbewusstseins. Aber auch wenn Bulgarien damals wieder auferstanden ist, war es immer noch kein vollwertiger Staat, es war ein Vasall der Hohen Pforte, kein vollberechtigtes internationales Subjekt. Der Unabhängigkeitstag (1908) ist das Datum, an dem Bulgarien zu einem Staat im vollen Sinne dieses Wortes wurde, da es niemandem mehr unterstellt ist, seinem Oberherrn keinen Tribut mehr zollt, wie es vorher dem Osmanischen Reich unterstand. Der 22. September ist also der Tag, an dem wir besonders stolz darauf sein sollten, dass wir so etwas erreicht haben“, betonte Prof. Nikolaj Kanew.
Im Mittelpunkt des Geschehens stand damals der bulgarische Fürst Ferdinand, zusammen mit dem Ministerpräsidenten Alexander Malinow. Ihnen verdanken wir das Manifest, das der Fürst in der Kirche der Heiligen 40 Märtyrer in Bulgariens alter Hauptstadt Weliko Tarnowo verlas.
„Mit der Ausrufung der Unabhängigkeit wurde Ferdinand vom Prinzen zum König der Bulgaren, aber auch etwas ebenso Wichtiges - für das bulgarische Volk kam mit diesem Akt die volle Freiheit, und gleichzeitig soll dieses Manifest auf jenen Teil der Bulgaren hinweisen, die außerhalb der Grenzen des freien Bulgariens geblieben sind“ - so Prof. Nikolaj Kanew.
„Die Unabhängigkeit ist letztlich unsere nationale Vereinigung, die aber wegen der Wechselfälle unseres historischen Schicksals, wegen der Fehler unserer Diplomatie, aber auch wegen der Interessen der Großmächte nicht erfolgte. Auch wenn sich die eine oder andere Großmacht hinter den bulgarischen Staat gestellt haben mag, so tat sie dies doch im Kontext ihrer momentanen Interessen. Die Großmächte haben sich nie hinter die Sache der bulgarischen Vereinigung gestellt. Dieser ganze Traum von der Vereinigung der Bulgaren, der nicht nur ein politischer, sondern ein nationaler Traum ist, wurde letztendlich nicht verwirklicht, und das ist nicht verwunderlich. Die Geschichte zeigt uns, dass es in der großen Politik nicht um Gerechtigkeit geht. Wir würden uns sehr wünschen, dass es so wäre, aber leider verzerren die Interessen der großen wie auch der kleinen Akteure sehr oft die Gerechtigkeit und verhindern, dass sie siegt“, so Prof. Kanew.
Historiker sprechen oft über Details von historischen Ereignissen, aber Prof. Nikolaj Kanew richtete den Fokus auf die globale Karte der geopolitischen Interessen. Dort sieht er den Grund für das Scheitern des bulgarischen Traums:
„Niemand ist an einem vereinigten Bulgarien interessiert, denn ein vereinigtes Bulgarien wäre nicht nur groß, wie bei dieser Bedrohung gewöhnlich betont wird. Das Problem liegt nicht so sehr in der Größe und Macht des Landes, sondern darin, dass ein vereinigtes Bulgarien aus rein geopolitischen und wirtschaftlichen Gründen zu einem unvermeidlichen Faktor in der europäischen Politik werden würde. Ein vereinigtes Bulgarien - vom Donaudelta bis Ägäis-Thrakien und mit seiner Nähe zu den Zugängen zur Adria - bedeutet in der Praxis, dass weder der Welthandel nach Europa und in den Nahen Osten an Bulgarien vorbeigehen kann, noch die politischen Interessen der verschiedenen Akteure auf der Weltbühne ohne Berücksichtigung der Rolle Bulgariens verwirklicht werden könnten“, so Prof. Kanew abschließend.
Autor: Gergana Mantschewa
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: BGNES, Iwan Basow, facebook.com/univt, wikipedia.org
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