Wie ist es um Bulgarien zehn Jahre nach seinem Beitritt zur EU bestellt? Es ist nach wie vor das ärmste und korrupteste Land innerhalb der europäischen Gemeinschaft. Obwohl die Bulgaren den EU-Behörden großes Vertrauen entgegenbringen, können bei weitem nicht alle die Vorteile des EU-Beitritts spüren. Dass es aber solche Vorteile gibt, belegt der Bericht des Zentrums für liberale Strategien „Zehn Jahre in der EU – Nutzen und Herausforderungen“. Generell sind die Vorteile politischer und wirtschaftlicher Natur. Zu den wirtschaftlichen zählen die spürbar gestiegenen Exporte in die EU. Außerdem hat die Kaufkraft der Bulgaren in den letzten zehn Jahren um ein Fünftel zugelegt. Dank des EU-Monitorings hält sich das Haushaltsdefizit bei 3 Prozent. Der Politologe Daniel Smilow kommt auf weitere politische Nutzen zu sprechen:
„Die EU-Mitgliedschaft übt einen starken stabilisierenden Effekt auf Bulgarien aus“, meint Daniel Smilow. „Künftig sollten wir aber auf diverse Herausforderungen gefasst sein. Bislang war die EU eine Quelle der Stabilität in Bulgarien. Sie war eine Art Garant für die politischen Prozesse im Land und dafür, dass sie sich in die richtige Richtung entwickeln. Wir alle wissen aber, dass in der EU unterschiedliche Reformen in Gang sind und sich deren Zukunft auf unterschiedliche Arten gestalten könnte. In diesem Sinne sollte Bulgarien nicht nur von der Stabilität profitieren, die von der EU ausgeht, sondern auch selbst aktiv dazu beitragen“, rät der Politologe.
Mit Hilfe der EU konnte Bulgarien in der Tat eine Reihe schwerer Krisen meistern, darunter die Rezession. Das Land konnte sie ohne nennenswerte Erschütterungen überstehen. Die Insolvenz der Korporativen Handelsbank wiederum war eine interne Krise, die dank unserer Mitgliedschaft in der europäischen Familie keinen Dominoeffekt auslösen und den anderen Banken nichts anhaben konnte. Ungeachtet der in allen EU-Fortschrittsberichten enthaltenen Appelle nach effizienteren, schnelleren und transparenteren Gerichtsprozessen, die mit angemessenen Urteilen enden, bleibt in diesbezüglich noch einiges zu wünschen übrig. Um die Ungleichheiten und sonstigen Probleme in der Gesellschaft zu lösen, müssen zuerst die Probleme im Justizwesen gelöst werden, ist der Wirtschaftsexperte Georgi Ganew überzeugt. Und der Politologe Daniel Smilow meint:
„Eine weitere Problemsphäre ohne eine sichtbar positive Entwicklung sind die Medien. Es ist eine Einengung der Medienfreiheit zu beobachten, so dass Bulgarien auf ein Level herabgerutscht ist, das untypisch für ein europäisches Land ist. Die bulgarischen Regierungen haben Maßnahmen ergriffen, um mehr Transparenz in die Eigentumsverhältnisse bei den Medien zu bringen und mit den Monopolen fertig zu werden, doch reichen diese Maßnahmen nach allgemeiner Meinung nicht aus“, betont Daniel Smilow.
Obwohl die Medienfreiheit nicht in direkter Verbindung zur EU-Mitgliedschaft steht, ist dieses Thema ebenfalls im Bericht präsent, da es auf breites öffentliches Interesse stößt und die globale Finanzkrise sich ebenfalls auf den Sektor ausgewirkt hat. Medien mit finanziellen Schwierigkeiten sehen sich gezwungen, sich nach einem Käufer umzuschauen, dessen Interessen sie dann wohl oder übel zu vertreten beginnen. Der Mangel an Inhabern aus dem Ausland und die Monopolisierung des Vertriebsnetzes machen die Existenz unabhängiger Zeitschriften oder Zeitungen fast unmöglich. Als positiv wurden im Bericht aber das Wegfallen des Roamings, der Schutz der Patienten- und Verbraucherrechte und die höheren Umweltschutzkriterien erwähnt, dank denen in Bulgarien eine Reihe Verbesserungen eingetreten sind.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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